Essen. . Jopie Heesters war einer unter vielen: Die Zahl der Über-100-Jährigen steigt stetig. Was ist das Geheimnis der Methusalixe und wie leben die alten Menschen? - Die neuesten Ergebnisse der Forschung.

Hundert: Das dreistellige Lebensalter hat Forscher und Gelehrte schon immer fasziniert, selbst zu einer Zeit, in der die Lebenserwartung viel niedriger lag als heute, blühten die Legenden über Superalte. Die maßlosen Übertreibungen von damals sind heute Wirklichkeit geworden. Seit 1950 verdoppelt sich die Zahl der Hundertjährigen alle zehn Jahre, in Japan noch öfter.

Was passiert eigentlich beim Altern?

Im Laufe eines Lebens entstehen an Zellen immer wieder kleine molekulare Schäden. Je älter ein Mensch, desto schlechter greifen die körpereigenen Reparaturmechanismen. „Mit den menschlichen Zellen ist es ähnlich, wie mit einem Auto: Je älter es ist, desto begrenzter sind die Möglichkeiten der Mechaniker, es zu reparieren“, vergleicht Friederike Flachsbart, Biologin bei der Kieler Forschungsgruppe Gesundes Altern.

Wie viele Menschen erreichen ein dreistelliges Lebensalter?

Die Vereinten Nationen schätzen, dass zur Jahrtausendwende weltweit 180 000 Personen lebten, die hundert Jahre oder älter sind.

Wie viele Menschen in Deutschland derzeit über hundert Jahre alt sind, weiß niemand so genau. Der Bundespräsident, der versucht, allen 100-jährigen Deutschen zu gratulieren, hat im vergangenen Jahr über 6500 Geburtstagsbriefe an Superalte verschickt: Geehrt wird die 100-Jahr-Marke (6132 Briefe), danach gibt es erst wieder ab dem 105. Geburtstag Post aus dem Bundespräsidialamt (444 Briefe). Nur etwas mehr als jeder zehnte der Geburtstagsbriefe geht an Männer. Forscher schätzen, dass im Jahr 2060 die durchschnittliche Lebenserwartung für Frauen bereits bei 97,7 Jahren liegen wird, Männer könnten dann im Schnitt 90,5 Jahre alt werden.

Wieso werden einige Menschen sehr alt?

Das ist nur zu 30 Prozent auf das Erbgut zurückzuführen, so die Kieler Forscherin Flachsbart. Alle anderen Ursachen für die Variation in der Lebenserwartung erklären sich durch Umweltfaktoren, allen voran die medizinischen Möglichkeiten, die ein gesundes Altern bei guter Lebensqualität fördern können. Auch der Lebensstil – Ernährung und gesunde Lebensführung – spielt eine Rolle. „Und der Zufall: Jeder kann Opfer eines Autounfalls oder des berühmten Dachziegels werden.“

Gibt es eine Art Methusalem-Gen?

Die Forschungsgruppe Gesundes Altern versucht herauszufinden, welche Teile des menschlichen Erbguts für ein hohes Alter verantwortlich sind – dabei sind sie nicht auf der Suche nach nur einem Methusalem-Gen. Schon jetzt ist sicher: „Es handelt sich um eine ganze Reihe vieler kleiner Variationen im Erbgut von sehr alten Menschen, die förderlich für ein langes und gesundes Leben sein können“, so Flachsbart. In Vergleichsstudien identifizieren die Forscher Schritt für Schritt diese kleinen Unterschiede, um Erkenntnisse darüber zu erhalten, wie man im Alter Gesundheit und Lebensqualität schützen und erhalten kann.

Wo kann das Geheimnis noch liegen?

Ausgeprägte innere Stärke könnte neben genetischen Faktoren und medizinischem Fortschritt förderlich für hohes Alter sein. In ihrer sogenannten Heidelberger Hundertjährigen-Studie haben Gerontologen und Psychologen das Leben von (Über-) Hundertjährigen erforscht und Hinweise dafür erhalten, dass die Hochaltrigen eine besondere Lebenseinstellung teilen: „Die Menschen haben die grundlegende Eigenschaft, das Positive zu sehen“, so Christoph Rott, Leiter der Studie. Die Menschen seien oft besonders optimistisch und lebensbejahend. „Sie wollen leben“ – und tun dies auch in der Überzeugung, dass sie bestimmte Dinge möglichst lange eigenständig tun können.

Wie geht es Über-100-Jährigen gesundheitlich?

„Die körperlichen Einschränkungen sind erheblich“, stellt Rott fest. 90 Prozent aller Über-Hundertjährigen bedürfen der Betreuung, fallen mindestens in die Pflegestufe 1 oder höher. Etwa die Hälfte von ihnen ist dabei dement, teilweise so sehr, dass sie gar keine Auskunft mehr über ihr Wohlbefinden geben konnten. Weiter leiden die Hochaltrigen sehr häufig unter Inkontinenz, bei Männern kommen Prostata-Erkrankungen hinzu, Arthritis und Bluthochdruck sind weitere Krankheitsbilder, die häufig vorkommen.

Wie fühlen sich die Über-100-Jährigen?

Angesichts des oft schlechten Gesundheitszustands sind Über-Hundertjährige „erstaunlich glücklich“, so Forscher Rott. Eine Vergleichsstudie zeigte, dass sie durchschnittlich genauso glücklich waren wie 40-Jährige. Der Trick: Die Höchstaltrigen gleichen ihren schlechten Gesundheitszustand mit psychologischen Stärken aus. Die Einsicht „Was soll ich in diesem Alter eigentlich erwarten?“ hilft ihnen dabei, sich ihren Optimismus und Lebenswillen zu erhalten.