Der Zoologe Dr. Philipp Dammann beobachtet Afrikanische Graumullen und erhielt jetzt einen Forschungspreis.
Sex wirkt offenbar wie ein Jungbrunnen - zumindest bei den Afrikanischen Graumullen. Das haben Wissenschaftler der Universität Duisburg-Essen (UDE) herausgefunden. Dr. Philipp Dammann, Tierschutzbeauftragter und Zoologe im Zentralen Tierlabor des Universitätsklinikums und Mitarbeiter der Abteilung für Allgemeine Zoologie der UDE, erhielt für seine Arbeit jetzt einen Forschungspreis über 10 000 Euro.
Hübsch sind sie absolut nicht. Und kuschelig auch nicht. Das zeigen auf den ersten Blick ihre riesigen Zähne. Rund 200 Graumullen leben in den bis zu vier Quadratmeter großen Terrarien der UDE, buddeln eifrig ihre Gänge und bauen ihre Nester. Seit etwa 20 Jahren stehen die Tiere im Mittelpunkt der Verhaltensforschung an der UDE.
Ähnlich wie Ameisen und Bienen leben die fast blinden, etwa 15 Zentimeter langen Nager in großen Kolonien von manchmal über 20 Tieren, doch nur ein ausgewähltes Pärchen ist für die Fortpflanzung zuständig. Alle anderen Mitglieder leben als nicht-reproduktive Helfer in der Kolonie und gehen anderen Aufgaben nach, kümmern sich um den Nachwuchs oder andere Kolonie-Belange.
Die Forscher der UDE fanden nun in einer Analyse von Langzeit-Zuchtdaten heraus, dass die sexuell aktiven Graumullen doppelt so lange leben wie die sexuell inaktiven Artgenossen. So steht die Lebenserwartung des „Königspaares” von bis zu 20 Jahren denen der übrigen Kolonie-Mitglieder von bis zu zehn Jahren gegenüber. „Das ist enorm für so ein kleines Nagetier”, meint Dammann. „Hinzu kommt der Vergleich: Eine Maus lebt nur etwa drei bis vier Jahre.”
Dass dieses Phänomen des unterschiedlichen Alterungs-prozesses wirklich in der sexuell unterschiedlichen Aktivität der Tiere und nicht in deren sonstigem Verhalten begründet ist, bestätigen die Beobachtungen der Forscher. „Wir haben uns den Tagesablauf der Tiere genau angeguckt”, so Dammann. „Die Tiere leben alle sehr harmonisch zusammen, sie fressen und schlafen gleich viel und sie erledigen auch die gleichen Aufgaben. Der einzige Unterschied ist die sexuelle Aktivität.”
Dieser außergewöhnliche Alterungsprozess macht die Graumullen der Spezies Fukomys anselli und Fukomys mechowii interessant für die medizinische Forschung. „Bislang basierte die Altersforschung auf Untersuchungen an Mäusen, Fadenwürmern und Fliegen”, erklärt Damman. „Mit den Graumullen steht nun eine langlebige Säugetierart im Blickpunkt.”
In Zusammenarbeit mit Biochemikern der Case Western Reserve University in Cleveland/Ohio möchten die Essener Forscher nun Hautproteine untersuchen. „Wir hoffen, Biomarker zu finden, die das unterschiedliche Alterungsmuster erklären”, erklärt Dammann und betont, dass kein Tier für die Untersuchungen sterben muss - sicher ein Grund für die Vergabe des Forschungspreises durch die „Gesellschaft für Versuchstierkunde”.
Eine Vision der Forscher ist natürlich, durch ihre Arbeit mehr über das Altern des Menschen zu erfahren. Dammann: „Aber das ist Zukunftsmusik.”
In der Natur
Die fast blinden Nagetiere gehören zur Gattung der Sandgräber. Sie leben nahezu unbeobachtet in Savannen und Halbwüsten auf dem afrikanischen Kontinent südlich der Sahara. Sie bilden große Kolonien, in denen sich ähnlich wie in den Staaten von Ameisen und Bienen nur ein einziges Gründerpaar fortpflanzt. Die anderen Tiere leben abstinent und erledigen andere Aufgaben, wie Nahrungssuche, Anlegen von Vorratskammern, Pflege und Verteidigung des unterirdischen Gangsystems und Aufzucht der Nachkommen.