Essen/Bonn. . Zehn Jahre nach dem Sturz der Taliban gibt es Fortschritte. Aber: Die Unterdrückung bleibt ein Problem

Komplett verhüllte Frauen, die täglich mit der willkürlichen Gewalt einer archaischen Männerwelt konfrontiert sind. Es waren auch Bilder wie diese, die vor zehn Jahren den Einsatz der internationalen Truppen in Afghanistan rechtfertigen sollten.

Die Botschaft, die damals von der ersten Afghanistan-Konferenz ausging: Das Land von den Taliban befreien, es demokratisieren und die Frauenrechte stärken. Die Taliban sind zwar nicht mehr an der Macht, doch ist der Einfluss der Extremisten nicht gebrochen und das Land vom Frieden weit entfernt. Ähnlich verhält es sich bei der Situation der Frauen. Sie hat sich gebessert, jedoch nicht überall, berichtet Karla Schefter.

Dortmunderin leitet Klinik

Die Dortmunderin leitet seit 22 Jahren ein durch Spenden finanziertes Krankenhaus in der Provinz Wardak, 65 Kilometer südwestlich von Kabul. „Frauen dürfen wieder arbeiten, zur Schule gehen und studieren. Sie sind sogar im Parlament vertreten. Ein großer Fortschritt. Außerdem haben sie eine bessere gesundheitliche Versorgung als unter den Taliban“, sagt Schefter. Allerdings, schränkt die 69-Jährige ein, profitierten insbesondere die Frauen in den Städten wie Kabul oder Herat vom Sturz der sechs Jahre herrschenden Taliban. Die Provinz werde vernachlässigt. „Es fließt zu wenig Geld für Bildung in die abgelegenen Regionen. Die Schulen haben keine oder schlechte Lehrer. Alles wandert in die Städte ab.“

Karla Schefter hilft seit 22 Jahren in Afghanistan. Sie leitet die Klinik in Wardak. Foto: Ralf Rottmann
Karla Schefter hilft seit 22 Jahren in Afghanistan. Sie leitet die Klinik in Wardak. Foto: Ralf Rottmann © Ralf Rottmann

Unter diesen Umständen sei es schwierig, qualifiziertes Personal für das Krankenhaus zu bekommen. Denn: Gut ausgebildete Mediziner und Krankenschwestern folgten dem Ruf des Geldes in die Großstädte. Dort ansässige Internationale Hilfsorganisationen zahlten mehr als das Doppelte des üblichen Lohnes.

Ebenfalls differenziert ist die Sicherheitslage der Frauen in Afghanistan zu betrachten. Obwohl es seit 2002 ein Ministerium für Frauenangelegenheiten gibt, das sich für Frauenrechte einsetzen soll, werden Afghaninnen weiterhin Opfer von Gewalt, Zwangsheirat und Unterdrückung. Das Ministerium registrierte im vergangenen Jahr landesweit 6765 Fälle von Gewalt gegen Frauen. Dazu kommt nach Angaben von Terres des Femmes eine hohe Dunkelziffer, weil Frauen erst langsam genug Selbstbewusstsein entwickeln, die Übergriffe auch zu melden. In Afghanistan dürfen Frauen legal ab 16 Jahren heiraten. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International sind 56 Prozent der geschlossenen Ehen in Afghanistan Kinderehen – größtenteils gegen den Willen des Paares, arrangiert von den Familien.

Burka gehört dazu

Trotz dieser Zahlen: Karla Schefter warnt, ständig die Burka als Symbol der Unterdrückung der Frauen heranzuziehen: „Sie ist Teil der Gesellschaft, in der sie aufwachsen – auch schon vor den Taliban.“ Nicht wenige tragen das verhüllende Gewand freiwillig. Es genüge nicht, den Frauen zu raten, ihre Burka abzulegen, um Freiheit zu erlangen. Das erreiche man nur durch den Zugang zu Bildung und Arbeit. „Frauen, die Geld verdienen, sind selbstständiger.“

Den geplanten Abzug der Internationalen Truppen 2014 hält Karla Schefter für verfrüht. In Wardak wie auch in anderen Provinzen gibt es täglich Scharmützel zwischen der Nato, ihren Verbündeten und den Aufständischen, die mit den religiös getriebenen Taliban nur noch wenig gemein haben. „Das sind Kriminelle, denen es um ihren Einfluss geht.“ Teile der Bevölkerung befürchten, dass nach 2014 ein Machtkampf der Warlords und Clans das Land in ein erneutes Chaos stürzt und die zarten positiven Entwicklungen zerstört – auch die der Frauen.