Guatemala-Stadt. WAZ und die Kindernothilfe bitten Sie, liebe Leser, um Spenden für die Schwächsten einer Gesellschaft, die von alltäglicher Gewalt geprägt ist. Diese Kinder wissen nur, wie sich die Schläge der Mutter anfühlen, die Hand des Vaters zwischen ihren Beinen oder heißes Tortillafett im Gesicht. Ein Ortsbesuch.

Yesica, Josefina und der kleine Carlos spielen heute Karten. Karten, die Gesichter zeigen, zornige, weinende, verzweifelte, lachende. Die Kinder lachen nicht. Josefina hat eine wütende Fratze in der Hand, aber was sie sagt, ist: „Triste.“ Traurig. Sie kennen die anderen Gefühle nicht und nicht ihre Namen. Sie wissen nur, wie sich die Schläge der Mutter anfühlen, die Hand des Vaters zwischen ihren Beinen oder heißes Tortillafett im Gesicht.

Eine Gesellschaft der Gewalt

Geboren in eine Gesellschaft der Gewalt, aufgewachsen in diesem lateinamerikanischen Land, dessen Schönheit sie nicht sehen, weil das Leben hässlich zu ihnen ist. Durchschnittlich 18 Guatemalteken werden täglich umgebracht, über 90 Prozent der Taten bleiben ungesühnt, die Hauptstadt gilt als einer der gefährlichsten Orte der Welt. Es herrschen Korruption, Kriegsherren und die Kartelle der Drogenbosse. Und die Kinder – Tausende sterben jedes Jahr, werden Opfer von Gewalt, auch häuslicher. Die leben, tun das in einem „Horrorfilm“, sagt Miguel Angel López.

WAZ-Aktion: Kinder in Guatemala

Hier bewacht ein Wachmann mit einer Schusswaffe bewaffnet einen Schreibwarenladen...
Hier bewacht ein Wachmann mit einer Schusswaffe bewaffnet einen Schreibwarenladen... © Jakob Studnar
Besonders Kinder sind häufig Opfer von häuslicher Gewalt und sexuellem Missbrauch...
Besonders Kinder sind häufig Opfer von häuslicher Gewalt und sexuellem Missbrauch... © Jakob Studnar
Marleni und...
Marleni und... © Jakob Studnar
Cristian...
Cristian... © Jakob Studnar
haben Schlimmes erlebt....
haben Schlimmes erlebt.... © Jakob Studnar
Die Organisation Conacmi bietet Hilfe und Zuflucht...
Die Organisation Conacmi bietet Hilfe und Zuflucht... © Jakob Studnar
Conacmi bietet Therapiesitzungen...
Conacmi bietet Therapiesitzungen... © Jakob Studnar
Sicherheit und Ablenkung...
Sicherheit und Ablenkung... © Jakob Studnar
Beim Basteln kommt Spaß auf...
Beim Basteln kommt Spaß auf... © Jakob Studlar
Das Basteln hilft das Erlebte zu verarbeiten...
Das Basteln hilft das Erlebte zu verarbeiten... © Jakob Studnar
Manchmal lassen sich die Gefühle und das Erlebte nicht in Worten ausdrücken...
Manchmal lassen sich die Gefühle und das Erlebte nicht in Worten ausdrücken... © Jakob Studnar
Beim Basteln...
Beim Basteln... © Jakob Studnar
wird nicht nur verarbeitet....
wird nicht nur verarbeitet.... © Jakob Studnar
sondern auch etwas Neues geschaffen...
sondern auch etwas Neues geschaffen... © Jakob Studnar
etwas Schönes, das bleibt...
etwas Schönes, das bleibt... © Jakob Studnar
So sollte eigentlich das Leben sein...
So sollte eigentlich das Leben sein... © Jakob Studnar
ein traditionelles Spiel bei vielen Kindergeburtstagen...
ein traditionelles Spiel bei vielen Kindergeburtstagen... © Jakob Studnar
Mit einem Stock und normalerweise mit verbundenen Augen schlägt das Geburtstagskind...
Mit einem Stock und normalerweise mit verbundenen Augen schlägt das Geburtstagskind... © Jakob Studnar
Auf die Pinata ein...
Auf die Pinata ein... © Jakob Studnar
Die Pinata ist mit Süßigkeiten gefüllt, die am Ende rausfallen.
Die Pinata ist mit Süßigkeiten gefüllt, die am Ende rausfallen. © Jakob Studnar
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In diesem Staat, dem seine Kinder nur 40 Cent am Tag wert sind, ist López einer der Mutigen, die helfen. Als Direktor der „Nationalen Kommission gegen Misshandlung und Missbrauch von Kindern“, kurz: Conacmi. Nun ist die nicht so „nacional“, wie sie in der spanischen Landessprache klingt, sondern viel mehr eine private Hilfsorganisation, die sich ausschließlich über Spenden finanziert. Vielleicht auch über Ihre, liebe Leser: Denn in diesem Jahr gilt Conacmi die inzwischen schon traditionelle Spendenaktion Ihrer Zeitung gemeinsam mit der Kindernothilfe.

Mit elf vergewaltigt

„Das Gesetz sollte die Kinder beschützen“, sagt eine Mutter in der Elterngruppe. Weil das Gesetz sich aber schwer tut, schützt Conacmi die Kinder. Hört ihnen zu, nimmt sie an die Hand, begleitet sie zum Gericht, betreut die Familien. Und therapiert – meist in Gestalt der Psychologin Gloria Solares, einer gutmütig-strahlenden Frau, der alle Conacmi-Kinder überall in die Arme fallen. Gloria allerdings weiß nie, ob sie nächsten Monat noch kommen kann: Das Geld ist zu knapp, ihren Vertrag zu entfristen. Arbeit dagegen gibt es genug, um 150 Fälle kümmert sich Conacmi, „nicht, weil wir nur 150 hätten“, seufzt Miguel López.

Hier können Sie spenden

Wenn Sie helfen möchten:

Die Kindernothilfe hat bei der KD-Bank (BLZ 35060190)

das Konto 310310 für diese Spendenaktion eingerichtet.

Bitte geben Sie das Stichwort „Guatemala“ an.

Und hier können Sie direkt online spenden

Sie müssen sorgfältig auswählen, wem sie helfen können – und andere wieder zurückschicken in ein Zuhause, das ihnen die Hölle ist. „Man hat Angst und braucht Hilfe“, sagt eine Mutter leise, viel zu lange hat sie gezögert, darum zu bitten. Elf war ihre Tochter, als sie vergewaltigt wurde, wieder und wieder vom selben Mann, die Frau weint, aber Conacmi hat ihr „Leben neu gemacht und das meiner Kinder“. Die Tochter ist in Therapie, der Täter im Gefängnis.

Die Psychologin hat im Prozess ausgesagt, kein Kind kann in Guatemala allein vor Gericht gehen, und überhaupt hat der Staat für sexuelle Gewalt gegen Frauen erst vor zwei Jahren Strafen ins Gesetz geschrieben. Die Mutter, die davon unter Tränen erzählt, hat ein Büchlein auf dem Schoß liegen: „Ich bin ein Mädchen, ich habe Rechte.“ Josefina in der Kindergruppe musste früh lernen, dass das im männerdominierten Guatemala selten stimmt.

Dagegen ist die Achtjährige noch zu klein, um zu verstehen, was auf ihr T-Shirt gedruckt ist: „Just gotta be me“ – Ich muss nur ich selbst sein. Bei Conacmi, in diesem winzigen, fensterlosen Raum mit den noch winzigeren Stühlen, darf sie „ich selbst“ sein, für viele hier ist es das erste Mal. Nur: Wer ist dieses Ich? „Sie müssen mühsam lernen, sich auszudrücken“, sagt Therapeutin Solares. Das Vertrauen der Verstörten zu gewinnen, dauert lange. Oft schicken sie ihr ein Kind mit blauen Flecken auf Haut und Seele – und es dauert Monate, bis es gesteht: Da war nicht „nur“ Misshandlung, da war Missbrauch.

So war es wohl auch bei Carlos, der gerade Mehl in einen Luftballon stopft, sie basteln Puppen. Einer hält, einer füllt, die Kinder helfen einander, auch das ist neu. In der Gruppentherapie nebenan sitzt Carlos’ Mutter und erzählt. „Ich bringe meinen Sohn zwei Jahre und vier Monate. Im Bus muss ich ihn im Arm halten, damit er nicht rausspringt.“ Der Zehnjährige hat Angst vor Männern, „sein Onkel war’s“, sagt die Mutter leise.

„Es gibt so viele Kinder, die Hilfe brauchen“

Der Junge erbrach sich, bis er endlich auch die Geschichte ausspuckte, nun verachtet ihn das ganze Dorf. Er hat die Ordnung durcheinander gebracht, Guatemalteken halten viel auf den schönen Schein. Vom Onkel hat Carlos eine Geschlechtskrankheit, „er glaubt, er muss sterben“, aber leben will er auch nicht mehr. „Er fühlt sich schmutzig“, sagt die Mutter, „er muss lernen, dass er nicht schuld ist.“ Sie musste es auch. „Es gibt so viele Kinder, die Hilfe brauchen. Das ist etwas, das nie aufhört.“

Im „Kinderzimmer“ hat Carlos mit der ernsten Miene seinem Püppchen ein Gesicht gemalt. Es lacht. Alle Puppen lachen. Nur das von Josefina nicht. Traurig hängt der lila Filzstiftmund. Auch das zornige Gesicht von ihrer Karte wollte sie nicht malen – die Wut ihrer Eltern hat gemacht, dass Josefina so traurig ist.