Washington. . Die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen den USA und Pakistan haben sich dramatisch verschlechtert. Hintergrund ist ein tödlicher Luftangriff der Nato. Auch die Afghanistankonferenz ist betroffen.

Nach dem möglicherweise auf einer Verwechslung beruhenden Nato-Luftangriff, bei dem am Wochenende 24 pakistanische Soldaten im Grenzgebiet zu Afghanistan starben und rund 30 verletzt wurden, geht die Regierung in Islamabad auf Konfrontationskurs. Sie blockiert Nachschubrouten für die US-geführten Truppen in Afghanistan. Sie verweist die USA eines Luftwaffenstützpunktes. Und sie boykottiert die Afghanistan-Konferenz in Bonn. Eine Bestandsaufnahme.

Wie war das Verhältnis der Länder vor dem „friendly fire”, unter das US-Kampfhubschrauber pakistanische Grenzsoldaten nahmen?

Miserabel. Beide Parteien begegneten sich zuletzt nur mit Argwohn. Amerika sieht in Islamabad einen Akteur mit zwei Gesichtern, der seit zehn Jahren insgesamt rund 23 Milliarden Dollar US-Militär- und Entwicklungshilfe entgegennahm, andererseits auf seinem Staatsterritorium der Taliban-Spitze um Mullah Omar in Quetta und dem kriminell-terroristischen Hakkani-Netzwerk freie Hand dabei lässt, Bomben gegen US-Soldaten zu richten. Pakistan sieht sich umgekehrt wie ein Bär am Nasenring durch die Manege gezogen.

Im Januar erschoss ein CIA-Agent in Lahore unter dubiosen Umständen zwei Einheimische und kam nach Zahlung von 2,5 Millionen Dollar „Blutgeld” an die Angehörigen frei. Im Frühsommer wurde in einer Nacht- und Nebel-Aktion Osama bin Laden in Pakistan liquidiert. Und seit Monaten schickt Amerika fliegende Exekutionskommandos (Drohnen) in das Grenzgebiet zu Afghanistan, um Taliban-Anhänger zu töten. Dabei sterben oft auch Zivilisten.

Was treibt Pakistan an?

Der knapp 160 Millionen Einwohner zählende, islamisch dominierte Vielvölker-Staat fürchtet nichts mehr, als künftig zwischen dem verhassten Nachbarn Indien und einem womöglich wirtschaftlich erstarkenden Afghanistan eingeklemmt zu werden. Fast alle Aktionen der Regierung in Islamabad zielen darauf ab, die Sehnsucht Pakistans nach Eigenständigkeit im Bild der Weltöffentlichkeit zu halten.

Was macht den jüngsten Vorfall so schwerwiegend?

Er kommt zum ungünstigsten Zeitpunkt. Hochrangige Vertreter beider Seiten hatten versucht, die erkalteten Beziehungen zu beleben. Zuvor hatte Washington den „schwierigen, aber wertvollen Partner” erstmals öffentlich bezichtigt, seinen Geheimdienst ISI als Instrument im Terror gegen US-Truppen einzusetzen. Pakistan sieht sich durch den Vorfall am Wochenende zutiefst gedemütigt, weil nach Angaben eines Armeesprechers das US-geführte Kommando in Kabul über den Standort jedes pakistanischen Armeepostens an der Grenze unterrichtet gewesen sei. Das anti-amerikanische Ressentiment dürfte nun noch gewalttätiger werden.

Die USA hängen den Vorfall hoch. Verteidigungs- und Außenministerium haben sich offiziell entschuldigt. Für die Afghanistan-Konferenz in Bonn ist das zu spät.

Können es sich Amerika und Pakistan leisten, sich voneinander loszusagen?

Nein. Die USA brauchen die Hilfe Pakistans, um die radikalen Taliban in Afghanistan in Schach halten zu können. Über 100 000 pakistanische Soldaten sind in den Extremisten-Hochburgen an der Grenze im Einsatz. Regierung und Militär wiederum sind auf Finanzhilfe aus USA angewiesen, um nicht gegen Indien ins Hintertreffen zu geraten. Die Beziehungen zu Pakistan aufzulösen, verbietet sich auch aus einem anderen Grund: Pakistan ist Atommacht.

Hat das schwierige Verhältnis Einfluss auf die deutschen Soldaten dort?

Ja. Ohne grünes Licht aus Pakistan gibt es keine Stabilität in Afghanistan. Stabilität ist aber nötig, um den geplanten Abzug der Kampf-Truppen bis 2014 zu vollziehen. Derzeit sind 5300 deutsche Soldaten in Afghanistan im Einsatz.