Frankfurt am Main. Auf ihrem Sonderparteitag in Frankfurt hat die FDP am Samstag lange über eine Anwort auf die europäische Schuldenkrise gestritten. Während Parteichef Philipp Rösler die verwundete Seele der Liberalen streichelt, geben sich Guido Westerwelle und Rainer Brüderle kämpferisch.

Die FDP will
neue Ge- und Entschlossenheit zeigen und so das Vertrauen der Bundesbürger
zurückgewinnen
. "Wir brauchen keine Wutbürger, wir brauchen Mutbürger", lautet
am Samstag der Tenor des FDP-Sonderparteitages in
Frankfurt am Main. Stundenlang diskutieren die 622 Delegierten über Europa, die
Schuldenkrise und die liberale Antwort darauf.

Wer die neue Harmonie in der blaudrapierten Halle am Frankfurter
Messeturm stört, ist Frank Schäffler - Bundestagsabgeordneter, FDP-Finanzexperte und vor allem Euro-Rebell.
"Entscheidend ist, dass wir bei harten Themen punkten - und auch mal Nein sagen
können", sagte er zu dem von ihm mit angestoßenen Mitgliederentscheid. Es ist
der erste von der Basis erzwungene Mitgliederentscheid und erst der dritte in
der Geschichte der FDP.

Dieser Mitgliederentscheid spaltet die Liberalen. Das wird schon am
Eingang deutlich: Da stehen die Gegner des Europäischen Stabilitätsmechanismus' (ESM), der nach 2013 den Rettunsschirm ablösen soll. Auf ihrem Transparent heißt es: "liberal bleiben -
ESM stoppen" - und gleich daneben stehen die Euro-Befürworter mit ihrem Transparent: "Ein
stabiles Europa gibt's nur mit ESM". In der Halle räumt selbst die Parteispitze
ein: "Hier geht es um mehr als eine Sachabstimmung. Hier geht es um eine
Richtungsfrage."

"Parole Raus ist keine Lösung"

In einem sind sich ESM-Gegner und Befürworter einig: Die FDP hat sich in eine Vertrauenskrise manövriert. Während
Schäffler Reden und Handeln wieder in Einklang bringen will und dafür letztlich
einen Bruch der Koalition nicht ausschließt, warnen andere vor anti-eupopäischen
Tendenzen und holen den FDP-Ehrenvorsitzenden
Hans-Dietrich Genscher als Kronzeugen. "Die Parole 'Raus' ist nur eine
vereinfachte Antwort, aber keine Lösung", schreibt Genscher in der
Werbebroschüre des Parteivorstandes.

Fast eine Stunde ist Parteichef Philipp Rösler am Pult - er
streichelt die verwundete Seele der Liberalen und richtet sie wieder auf. Eine
kämpferische Rede sieht aber anders aus. Das macht wenig später Ex-Parteichef
Guido Westerwelle deutlich. In Minuten nur kocht der Saal. Mit kurzen
abgehackten Sätzen, die Hände wild gestikulierend in der Luft, nimmt er die
Euro-Rebellen Maß. "Europa hat einen Preis, aber es hat auch einen Wert", sagt
er - und erntet dafür stehenden Applaus zahlreicher Delegierten.

"Lieber Wahlen verlieren als den Verstand"

Fast vergessen scheint, dass erst vor sechs Monaten die selben
Delegierten auf dem 62. Ordentlichen Bundesparteitag in Rostock die Ära
Westerwelle beendeten und Philipp Rösler mit überwältigenden 95 Prozent zum
neuen Parteichef wählten. Mit dem Mitgliederentscheid geht es nun um nicht
weniger als um die politische Zukunft des neuen Parteivorsitzenden. Denn sollte
sich Schäffler durchsetzen, ist Röslers Führungsanspruch gescheitert. Dann, so
sagt ein Delegierter, "dann brauchen wir einen erfahrenen 'Silberrücken'."

Dafür bringt sich - wohl nicht ganz unbewusst - schon der Chef der
FDP-Bundestagsfraktion, Rainer Brüderle, in
Stellung. Er verkündet unter Beifall des Parteitags die "Abteilung Attacke",
geißelt SPD und Grüne als "Pharisäer im politischen Wettbewerb" und geht nur mit
wenigen Worten auf Schäffler ein. Sein Credo, das alle wieder vereint: "Lieber
Wahlen verlieren als den Verstand. Das ist liberale Überzeugung."

Bildhinweis: 121111FRA499

dapd/spa/kn