Guantánamo. . In Guantánamo beginnt das Verfahren wegen des Anschlags auf das US-Schiff „USS Cole“. Für US-Präsident Barack Obama könnte es zum Problem werden. Denn eigentlich sollte es Guantánamo als Gefangenenlager seit Januar vergangenen Jahres nicht mehr geben. Obama hatte es unmittelbar nach Amtsantritt 2009 selbst versprochen.

Wie alle Angeklagten, die sich vor dem Militärtribunal der US-Basis Gu­antánamo auf Kuba verantworten müssen, wird auch der 46-jährige Mann am Mittwoch gleichsam wie eine tickende Zeitbombe behandelt. Abdel Rahim el Nashiri wird an Händen und Füßen gefesselt und mit Ohrstöpseln und geschwärzten Brillen orientierungslos gemacht, bevor man ihn aus seiner Einzelzelle in das Gericht führt. Dann eröffnet Richter James Pohl das Verfahren – es ist der erste Guantánamo-Prozess seit der Amtsübernahme von US-Präsident Barack Obama.

Dem Saudi Nashiri wird vorgeworfen, die lenkende Hand bei dem Anschlag im Jahr 2000 auf die im Hafen von Aden im Jemen vor Anker liegende „USS Cole“ und andere US-Kriegsschiffe gewesen zu sein. Die Attentäter benutzten ein mit Sprengstoff gefülltes Boot wie ein Torpedo. 17 US-Soldaten fanden den Tod, 34 wurden schwer verletzt. Im Fall einer Verurteilung droht dem Angeklagten die Todesstrafe. Es wäre die erste, die von Guantánamo ausginge.

Geständnis, um weiterer Folter zu entgehen

Nashiri wurde vor neun Jahren festgenommen. Danach unterzog man ihn vier Jahre in Knästen des Geheimdienstes CIA in Polen und Thailand diverser Foltermethoden. 2006 wurde er nach Guantánamo überstellt. Für Chefankläger General Mark Martins macht es das nicht leichter, dem Prozess wenigstens nachträglich die von Menschenrechtsgruppen vermisste Rechtsstaatlichkeit zu verleihen. Nashiri hatte 2007 ausgesagt, er habe nur gestanden, um weiterer Folter zu entgehen. Martins sagt, er habe 60 000 Seiten anderweitig erlangte Beweise.

Für die Obama-Regierung ist der Prozess, der erst in einigen Monaten in die Details einsteigt und mehrere Jahre dauern kann, ein Problem. Denn eigentlich sollte es Guantánamo als Gefangenenlager seit Januar vergangenen Jahres nicht mehr geben. Obama hatte es unmittelbar nach Amtsantritt 2009 selbst versprochen und die seinerzeit noch 240 von ursprünglich knapp 800 Gefangenen bereits gedanklich an zivile Gerichte auf dem amerikanischen Festland überstellt.

Deutlich weniger Rechte

Politische Widerstände und neuerliche Attentatsversuche verhinderten das Vorhaben. Gu­antánamo, genauer: „Camp Justice“ auf dem ehemaligen Flugplatz der seit 1903 von den USA gegen Pachtzahlung an Kuba betriebenen Marine-Basis, gibt es immer noch. Anklage, Verteidigung und Jury im Prozess stellen die US-Streitkräfte. Mit Verweis auf die nationale Sicherheit können Quellen und Beweise jederzeit verdeckt werden. Angeklagte haben deutlich weniger Rechte als vor einem zivilen Strafgericht. Im Fall Nashiri, heißt es, sei jedes Wort des Saudis als „geheimer als geheim“ eingestuft worden.

Wenn der von der US-Marine bestellte Pflichtverteidiger Steven Reyes den Angeklagten besuchte, wurden ihm stets seine Aufzeichnungen weggenommen, versiegelt und eingeschlossen. Eine Altlast von Ex-Präsident George W. Bush. Unter seiner Verantwortung machte Amerika die Männer von Guantánamo zu juristischen Zwitterwesen. Sie sind weder normale Verbrecher noch Kriegsgefangene, sondern gelten als „irreguläre“ Kämpfer.

Auf Wunsch der Verteidigung, die überzeugend erhebliche Ungereimtheiten auflistete, wird der Prozess offiziell wohl erst in einem Jahr fortgesetzt. Anklage und Richter zeigten sich einverstanden, Details sollen im Januar 2012 besprochen werden. Nashiri bleibt also weiter ohne Prozess in Haft, aber von der Todesstrafe verschont.