Berlin/ Cannes/ Athen. . Wenn die Griechen in der für Anfang Dezember geplanten Volksabstimmung dem Hilfspaket der EU nicht zustimmen, könnte das Land aus dem Euro ausgeschlossen werden. Bei der Vertrauensfrage im Parlament droht Papandreou eine Niederlage.
Bei der für Freitag geplanten Vertrauensabstimmung im griechischen Parlament steht die Regierung möglicherweise ohne Mehrheit da. Wie der griechische TV-Sender Net am Donnerstag berichtete, kündigten zwei Abgeordnete der Sozialisten an, Regierungschef Giorgos Papandreou nicht das Vertrauen aussprechen zu wollen. Papandreou verfügt im Parlament derzeit nur noch über eine hauchdünne Mehrheit von 152 der 300 Abgeordneten, ohne die Parlamentarierinnen wären es 150.
Im Euro-Drama geht es nun offen um den Verbleib Griechenlands in der Währungszone. Die Griechen würden mit ihrem Referendum auch entscheiden, ob sie den Euro behalten wollten, erklärten der französische Präsident Nicolas Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach einem Krisentreffen mit dem griechischen Regierungschef Giorgos Papandreou in der Nacht zum Donnerstag im südfranzösischen Cannes.
Papandreou sagte zu der von ihm am Montagabend überraschend angekündigten Volksabstimmung: „Es ist eine Frage des Verbleibs in der Euro-Zone.“ Unter dem Druck der Euro-Staaten kündigte er an, dass das Referendum so bald wie möglich abgehalten werden solle, „vermutlich am 4. Dezember“. Damit fände die Abstimmung einige Tage vor dem Datum statt, an dem die nächste Kreditauszahlung benötigt würde, um die Löhne und Renten in Griechenland noch bezahlen zu können. Nach den Worten Merkels und Sarkozys kann die nächste Tranche für das hochverschuldete Land erst ausgezahlt werden, wenn Klarheit über die griechische Haltung zum Krisenplan besteht. Vorher könne „nicht ein Cent“ überwiesen werden, sagte Sarkozy.
Die Idee ist nicht einmal in der griechischen Regierung unumstritten: Finanzminister Evangelos Venizelos hat sich von der geplanten Volksabstimmung distanziert. Die griechische Position in der Eurozone sei eine "historische Errungenschaft", die nicht von einem Referendum abhängen dürfe, teilte Venizelos nach seiner Rückkehr von einer Krisensitzung in Cannes in Athen mit. Ministerpräsident Giorgos Papandreou war für seine überraschende Entscheidung, ein Referendum über das Rettungspaket abzuhalten, bereits von den anderen Euro-Ländern heftig kritisiert worden. Bisher hieß es jedoch, er habe für sein Vorhaben die Unterstützung seines Kabinetts.
Merkel „will Griechenland helfen“
Sarkozy und Merkel sprachen sich für den Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone aus. „Wir wollen Griechenland helfen“, sagte Merkel. „Der Euro als Ganzes muss stabil gehalten werden, und wir möchten dies erreichen lieber mit als ohne Griechenland.“ Wenn das griechische Volk sich aber dagegen entscheide, „dann werden wir das respektieren“, fügte sie hinzu. Der Euro werde aber nicht aufgegeben. Sarkozy sagte, dass die Regeln der Euro-Zone eingehalten werden müssten. „Die Griechen müssen sich nun entscheiden.“ Bislang war die Möglichkeit eines Austritts Griechenlands aus der Euro-Zone ein Tabu für die EU-Partner.
Nach dem Willen Merkels und Sarkozys sollen angesichts der griechischen Pläne die Beschlüsse des Euro-Gipfels von vor einer Woche nun beschleunigt umgesetzt werden. Dazu wurde für Donnerstagmorgen ein weiteres Treffen noch vor dem G-20-Gipfel in Cannes angesetzt. „Wir sind gewappnet“, antwortete Merkel auf die Frage, ob die Euro-Zone auf ein „Nein“ der griechischen Bevölkerung vorbereitet sei.
Lindner: „Dann müssen sie die Krise allein überwinden“
Nach Einschätzung von FDP-Generalsekretär Christian Lindner wäre ein Nein der Griechen bei der Volksabstimmung zum europäischen Rettungspaket gleichbedeutend mit einem Ausscheiden Athens aus dem Euro. „Wenn die Griechen sich dagegen entscheiden, dann müssten sie als souveräne Nation ihre Krise allein überwinden“, sagte Lindner der Zeitung „Die Welt“ (Donnerstagausgabe). Die Euro-Staaten müssten sich auf den Fall eines negativen Ausgangs des Referendums vorbereiten. „Wir müssen uns in Europa rüsten, damit im Falle eines Falles Ansteckungsgefahren reduziert werden. Dafür haben wir mit der provisorischen Schutzwand EFSF jetzt Instrumente. Vor einigen Monaten wäre eine ungeordnete Pleite Griechenlands noch gefährlicher gewesen.“
Von der griechischen Regierung forderte er eine schnelle Terminierung der Abstimmung ein: „Griechenland muss schnell entscheiden, die Ankündigungen haben ja schon Auswirkungen auf die Finanzmärkte.“ Ob der Deutsche Bundestag im Dezember wie geplant über die Freigabe weiterer 100 Milliarden Euro für Athen entscheiden könne, sei noch nicht abzusehen, sagte Lindner.
Wirtschaft plant für den Fall eines Austritts Griechenlands
Europa sollte sich nach Ansicht des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) frühstmöglich auf einen drohenden Austritt Griechenlands aus der Eurozone vorbereiten. „Wir brauchen von der Politik jetzt sehr rasch ein Konzept, wie die EU mit einem Austritt umgehen würde“, sagte Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben der „Rheinischen Post“ (Donnerstagausgabe). Sollten die Griechen den von ihrer Regierung angekündigten Sparkurs in einem Referendum ablehnen, müsse mit dem schlimmsten gerechnet werden.
Zugleich verteidigte Wansleben die Volksabstimmung als demokratische Notwendigkeit. Es sei „verständlich, dass das griechische Volk letztlich selbst über ein Konzept entscheiden soll, das auf EU-Ebene verhandelt wurde“. Internationale Investoren müssten akzeptieren, dass sich Demokratie mittelfristig lohne, „auch wenn sie kurzfristig zu Verzögerungen“ führen könne.
Papandreou glaubt an „ja“ zum Euro-Hilfspaket
Papandreou versicherte, dass er mit der Zustimmung der Griechen zum Euro-Hilfspaket rechne. „Wir brauchen einen breiten Konsens, weil das Programm schwierig ist“, sagte er zur Verteidigung des Referendums. Im Gegenzug für die Gelder muss sich das Land harten Sparauflagen und Überprüfungen durch die internationalen Partner unterwerfen.
Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, die an dem Krisentreffen teilgenommen hatte, sagte in Cannes, der IWF werde seinen Anteil an den Hilfen erst freigeben, wenn „alle Unsicherheiten beseitigt“ seien.
Am Donnerstagmittag beginnt in Cannes der Gipfel der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer. Dort sollten eigentlich Themen wie das weltweite Wirtschaftswachstum oder die Reform der Finanzmärkte im Mittelpunkt stehen. Die Tagesordnung wurde aber durch die Euro-Krise durcheinandergewirbelt. Beobachter rechneten nun nicht damit, dass G-20-Länder wie China Hilfszusagen für den Euro-Krisenfonds EFSF machen würden. (dapd/afp)