Essen. . Griechenland muss sich mit seiner geplanten Volksabstimmung beeilen. Denn schon im Dezember könnte dem Staat das Geld ausgehen. Ministerpräsident Papandreou brachte einen Termin Anfang Dezember ins Gespräch.

Die Griechen wollen über ihr Schicksal abstimmen. Das hat, jeder politischen ­Bewertung unbenommen, ­sofortige Auswirkungen auf das Krisenmanagement. Denn nicht nur bei einem „Nein“ des Volkes zum Spardiktat droht die Staatspleite. Bei einem Stopp der Hilfsgelder können die Griechen bereits bankrott gehen, bevor die Volksabstimmung überhaupt stattgefunden hat. Das würde eine Kette folgenschwerer Reaktionen auslösen. Ein Pleiteszenario:

Der Geldhahn geht zu

Im Dezember will die griechische Regierung ihr Volk über das zweite Rettungspaket abstimmen lassen. Doch bis dahin benötigt das Land noch Geld aus dem ersten Rettungspaket, um nicht vorher pleite zu gehen. Die nächste Rate über acht Milliarden Euro ist von den Euro-Ländern genehmigt, wird aber politisch wieder infrage gestellt. Die Euro-Staaten knüpfen die Auszahlung an die Bedingung, dass die Griechen im Euroraum bleiben. Auch muss der Internationale Währungsfonds (IWF) den Hilfen noch zustimmen.

Wann genau den Griechen das Geld ausgeht, ist unklar. Eigentlich war für Dezember bereits die nächste Rate über fünf Milliarden geplant. Gestern erklärte das Bundes­finanzministerium, vor Mitte Dezember benötige Athen kein neues Geld. Sicher ist: Allein im Dezember muss Athen gut zwölf Milliarden Euro an seine Gläubiger überweisen. Ohne Hilfe ist das Land spätestens dann zahlungsunfähig.

Bankenpleiten

Die laut Finanzexperten unmittelbare Folge einer Staatsinsolvenz wäre die Pleite der großen griechischen Banken. Sie sind nach der Europäischen Zentralbank (EZB) die größten Gläubiger ihres eigenen Staates. Einen Zahlungsausfall würden sie nicht verkraften. Gleichzeitig würden die griechischen Bürger ver­suchen, ihre sämtlichen Ersparnisse abzuheben. „Es würde einen Run auf die Banken geben“, sagt Ansgar Belke, Finanzwissenschaftler der Uni Duisburg- ­Essen und EZB-Berater.

Ungeordnete Insolvenz

Die Ratingagenturen müssten Griechenland und seine Banken in den Pleitestatus herabstufen. „Das wäre ein ungeordneter Staatsbankrott“, sagt Belke. Die Auslandskredite von rund 200 Milliarden Euro bei Banken, Investoren sowie EZB und IWF müssten in ­deren Büchern als „Komplettausfall“ gewertet werden. Das würde zu teils existenzbedrohenden Verlusten für Banken, vor allem in Frankreich, Ver­sicherungen und andere Investoren führen.

Für Griechenland bedeutet eine Staatspleite zudem, dass es bis auf weiteres von den internationalen Finanz­märkten abgeschnitten wäre, also keine Kredite mehr erhalten würde. Wie lange das dauern kann, zeigt das Beispiel ­Argentinien: Das südamerikanische Land ging 2001 in die Insolvenz, zehn Jahre später ist es noch immer vom Kapitalmarkt ausgeschlossen.

Deutsche Verluste

Bisher hat Deutschland über seine staatseigene KfW-Bank 13,5 Milliarden Euro an ­Griechenland überwiesen, mit der sechsten Tranche kommen 1,7 Milliarden hinzu. Bei einem Totalausfall wären 15,2 Milliarden Euro verloren.

Doch damit wäre es nicht ­getan. Die EZB hält rund 49 Milliarden Euro an griechischen Anleihen. Deren Ausfall würde der EZB Verluste bescheren, die das Eigenkapital der Zentralbank schrumpfen ließen. Anstatt wie gewohnt ­einige Milliarden aus den EZB-Gewinnen überwiesen zu bekommen, müssten die Staaten dann Geld nachschießen. Das würde neue Löcher in den Bundeshaushalt reißen.

Der Dominoeffekt

Die größte Gefahr einer Athen-Pleite lässt sich nicht in Zahlen fassen. Sie ­besteht darin, dass Geldgeber ihr letztes Vertrauen in europäische Krisenstaaten ver­lieren. Sie würden Portugal, Italien oder Spanien womöglich gar kein Geld mehr oder nur noch zu sehr hohen Zinsen leihen. In diesem Fall würden sich die Probleme vervielfachen: Geriete ein großes Land wie Italien in Not, würde es eng unter dem Rettungsschirm. Um dessen Summe auf eine Billion Euro zu vergrößern, sollen Privatinvestoren ins Boot. Doch ein solcher Hebel funktioniert nur, wenn sich auch genügend Investoren finden. Bleiben sie wegen der Staatspleite fern, brauchen Europas Retter noch mehr Steuergelder.