Berlin. .
In 80 Ländern haben am Wochenende Menschen gegen die Macht der Finanzmärkte demonstriert - und sie demonstrieren weiter. Kanzlerin Merkel und EU-Kommissionspräsident Barroso äußerten Verständnis für die Sorgen der Bürger.
In der Finanzkrise hält Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auch Straßenproteste für gerechtfertigte Meinungsäußerungen. Allerdings sollten sich die Demonstrationen nicht allein gegen die Banken richten, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Schließlich seien es Staaten gewesen, die jahrzehntelang über ihre Verhältnisse gelebt hätten. Noch vor dem EU-Gipfel am Sonntag will Merkel dem Bundestag die Grundhaltung erläutern, mit der sie nach Brüssel fährt.
Seibert sagte, in den Demonstrationen „drückt sich eine tiefe Sorge aus und auch ein berechtigtes Gerechtigkeitsverlangen der Menschen“. Es sei noch nicht gelungen, der internationalen Finanzwelt die Regeln zu geben, die in Deutschland für wünschenswert gehalten werden. Aber eines dürfe jetzt nicht passieren, mahnte Seibert: „Dass man die Schuld an der derzeitigen Finanzkrise ausschließlich, weil es so einfach ist, bei den Banken ablädt.“
Verständnisvolle Worte aus Brüssel
Auch der europäische Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso haben Verständnis für die Protestaktionen angesichts der aktuellen Krise gezeigt. Die Sorgen hinsichtlich Wachstum und Beschäftigung seien „absolut legitim“, erklärte Van Rompuy am Montag in Brüssel und warb bei den anstehenden wenig populären aber notwendigen Anstrengungen zur Überwindung der Krise für einen fairen Lastenausgleich. Hier könne ein Beitrag des Finanzsektors eine wichtige Rolle spielen, betonte er.
EU-Kommissionspräsident Barroso zeigte ebenfalls Verständnis für die Frustration. Das Verhalten im Finanzsektor sei zum Teil „völlig unverantwortlich“ gewesen, betonte er - zum Teil sogar „krimineller Natur“. Der Finanzsektor müsse verstehen, dass er sich an ein Minimum ethischer Standards halten und dass er einen fairen Beitrag zum Allgemeinwohl leisten müsse.
Schäuble sieht „gute Chance“ zur Bewältigung der Probleme
Der Europäische Rat und die Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone wollten durch international koordinierte Arbeitsschritte das Vertrauen der Märkte zurückzugewinnen, sagte der Regierungssprecher der deutschen Kanzlerin, Steffen Seibert. Dies könne gelingen, wenn vor dem Wochenende einzelne Arbeitsschritte nicht in der Öffentlichkeit zerredet würden. „Die Debatten werden intern geführt und am Wochenende öffentlich gemacht und nicht umgekehrt.“
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) geht davon aus, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs für systemrelevante Banken einer Erhöhung der Eigenkapitalquote auf neun Prozent beschließen werden. Damit solle die Ansteckungsgefahr durch die Schuldenkrise Griechenlands begrenzt werden, sagte der Minister auf dem Deutschen Steuerberatertag in Düsseldorf. Schäuble betonte, trotz der aktuellen Turbulenzen sehe er eine „gute Chance“ zur Bewältigung der Probleme.
CSU-Chef Horst Seehofer kritisiert im Gegensatz zu Schäuble (CDU) Überlegungen, die europäischen Banken notfalls zu mehr Eigenkapital zu zwingen. Seehofer sagte vor einer Sitzung des CSU-Vorstands in München: „Das halte ich für eine problematische Idee.“ Es bestehe nämlich die Gefahr, dass dann letztlich die Steuerzahler zusätzlich belastet werden.
Trennung von Investment- und Geschäftsbanken
Die Bundesregierung ist grundsätzlich offen für eine stärkere Trennung von Investmentbanken und klassischen Geschäftsbanken. Der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Johannes Blankenheim, sagte zu einem entsprechenden Vorschlag des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, es gebe vergleichbare Vorschläge seit September 2011 von der unabhängigen Bankenkommission in Großbritannien. Diese schlage eine Abschirmung des Privatkunden- vom Investmentgeschäft auf flexibler Grundlage vor.
Der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, Andreas Schmitz, warnte in der „Rheinischen Post“ vor einer pauschalen Verurteilung der rund 650.000 Mitarbeiter des deutschen Bankgewerbes: „Die Banken haben die Schuldenkrise der Staaten nicht verursacht“, sagte Schmitz. (dapd)
Protest gegen die Macht der banken
