Essen/Berlin. Wer hat den Trojaner verwendet, den der CCC enttarnt hat? Bayerns Innenminister Herrmann (CSU) hat den Gebrauch im Freistaat bereits eingeräumt, aber betont: Alle Abhöraktionen seien „stets im rechtlichen Rahmen“ gewesen.
Mehrere Bundesländer haben angeblich von dem Spionageprogramm für Computer, das der Chaos Computer Club (CCC) geknackt hat, Gebrauch gemacht. „Wir haben sehr konkrete Hinweise darauf, dass die Software bei verschiedenen Landeskriminalämtern zum Einsatz gekommen ist“, sagte CCC-Sprecher Frank Rieger am Montag zu bild.de.
Das bayerische Innenministerium hat indes zugegeben, dass die Schnüffelsoftware im Freistaat verwendet wurde. Allerdings sei noch nicht klar, ob dem CCC eine Test- oder die Endversion vorliegt, die in einem Fall aus dem Jahr 2009 zum Einsatz kam. Damals hat das bayerische LKA den Trojaner bei einer Zollkontrolle am Münchener Flughafen auf einen Laptop aufgespielt. Bei dessen Besitzer handelt es sich jedoch nicht um einen Terrorverdächtigen. Gegen ihn wurde wegen „banden- und gewerbsmäßigen Handelns und Ausfuhr von Betäubungsmitteln“ ermittelt. Dies ist insofern heikel, weil die Software nicht zur Gefahrenabwehr, sondern zur Verfolgung einer Straftat verwendet wurde. Das aber hat das Bundesverfassungsgericht 2008 verboten. Aus der Sicht von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sind aber alle Abhöraktionen „stets im rechtlichen Rahmen“ geschehen.
Wikileaks Enthüllungen
Das Internet-Portal Wikileaks hatte bereits 2008 Dokumente veröffentlicht, in denen das LKA Bayerns eine Rolle gespielt hat. Das hessische Unternehmen für IT-Sicherheit DigiTask hatte der Behörde 2007 ein Angebot für eine Überwachungssoftware gemacht. Es soll Spionagefunktionen enthalten, die das BVG als verfassungswidrig gebrandmarkt hat. Die „Skype Capture Unit“ kostete 3500 Euro pro Monat und zu überwachenden Arbeitsplatz (Computer). Laut Frankfurter Rundschau kam diese Software in Bayern mehrfach zum Einsatz. DigiTask ließ der WAZ über seinen Anwalt mitteilen, dass es zwar „seit Jahren Behörden mit der Technik zur Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) beliefert“. Ob die aktuelle Software jedoch aus dem Hause DigiTask stamme, sei noch nicht beantwortet. Sowohl das Landesinnenministerium als auch das bayerische LKA wollten dazu keine Stellung nehmen.
Unterdessen hat Regierungssprecher Steffen Seibert alle Bundesländer aufgefordert zu prüfen, ob die Spionagesoftware bei ihnen zum Einsatz gekommen ist: „Die Länder müssen zügig und gründlich klären, was los ist.“ Bis wann es hier Ergebnisse gibt, vermochte ein Sprecher des Justizministeriums nicht zu prognostizieren. Nach dessen Worten ist die vom CCC geknackte Computer-Software auf dem internationalen Markt „vermutlich“ frei erhältlich gewesen und sei drei Jahre alt. Dem widersprach CCC-Sprecher Rieger. Die aktuellste Variante sei vom Dezember 2010. „Wir haben verschiedene Versionen entdeckt, die offenbar weiterentwickelt worden sind“, sagte Rieger
Einsatz der Software auch in NRW?
Nach Angaben des NRW-Innenministeriums haben weder das hiesige LKA noch Verfassungsschutz die Software zur Gefahrenabwehr genutzt: „Inwiefern sie im Rahmen der Strafverfolgung angewendet worden sein könnte, prüfen wir derzeit“, so ein Sprecher. Das LKA in Niedersachsen teilte mit, dass ihm nicht bekannt sei, welche Software vom CCC untersucht worden sei. Das LKA verfüge über ein Instrument, um Internettelefonie oder Chats zu überwachen, sagte ein Sprecher. Es sei seit 2009 zweimal im Einsatz gewesen. Die Software sei aber so programmiert, dass sie nur Daten der Telekommunikation übertrage, aber eine Aufzeichnung von Screenshots oder die Durchsuchung von Festplatten nicht stattfinde.
SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz forderte den CCC auf, die Herkunft der Software zu nennen. „Die Tatsachen müssen jetzt auf den Tisch“, sagte Wiefelspütz der WAZ.