Athen. . Die Bürger wissen, dass sich in dem Schuldenstaat Griechenland viel ändern muss, auch wenn das schmerzhaft ist. Doch viele misstrauen ihren Politikern. Unsere Korrespondentin Sabine Brendel sprach mit Menschen in Athen.
Ein Staat unter Druck: Das verschuldete Griechenland muss immer neue Sparrunden einläuten, um weiter überlebenswichtige europäische Notkredite zu erhalten. Zugleich wächst der Zorn der Griechen auf ihre Politiker.
„Unsere Politiker haben uns und Europa in den vergangenen zwei Jahren übers Ohr gehauen“, sagt Vasilios Balaskas. Er steht in Athen auf dem Syntagma-Platz, der an das Parlament grenzt. „Sie haben alles zerstört.“ Auf dem Platz demonstrieren seit einem Jahr täglich Bürger gegen Politiker.
Von Anfang an dabei ist Savvas Kabakos, jeden Tag, wie er erzählt. Seit 14 Monaten erhalte er keine Rente. Um zu überleben, leihe er sich Geld von Familie und Freunden. Er habe zwar einen kanadischen Pass, da er einst in Kanada gewohnt habe. Der Misere entfliehen will er aber nicht. „Die werden gehen“, ruft er und zeigt zum Parlament. „Ich nicht.“
Fehler gemacht
„Die“, das ist auch Parlamentspräsident Philippos Petsalnikos. Grauhaarig thront das Mitglied der regierenden sozialistischen Pasok-Partei im Parlament und lobt sich selbst. In seiner Amtszeit sei das Parlaments-Budget um 15 Prozent geschrumpft. „Um ein starkes Signal zu geben, fingen wir bei den Abgeordneten-Gehältern an“, sagt er. „Wir sind uns der Verantwortung bewusst, die wir gegenüber dem Euro-Währungsraum haben.“
Erst auf Nachfrage redet Petsalnikos, der seit 27 Jahren Volksvertreter ist, Klartext. „Natürlich haben wir viele Fehler gemacht“, gibt er zu. Dass die Bürger ihren Politikern grollen, führt Petsalnikos aber auf die drastischen Sparschritte und Reformen zurück: „In einer schwierigen Lage, in der man unangenehme Entscheidungen treffen muss, ist es klar, dass wir nicht die Populärsten sind.“
Horrorliste des Staates
Regierungssprecher Ilias Mossialos, der bis vor kurzem Professor in Großbritannien war, liest aus der Horrorliste des Staates: Steuererhöhungen, eine Immobiliensteuer für alle Privathaushalte – die meisten Griechen sind Wohnungs- oder Hausbesitzer –, der Abbau zehntausender Stellen im öffentlichen Dienst und bei Staatsfirmen, die Erhöhung der Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden, Rentenkürzungen oder die Anhebung des Rentenalters auf 65 Jahre. Das alles sei nötig, sagt der Regierungssprecher, um den Staatshaushalt in Ordnung zu bringen und Schulden abzubauen.
Die Griechen müssen sich auf weitere Spar- und Reformrunden einstellen. Der aufgeblähte öffentliche Sektor muss schrumpfen, Staatsfirmen verkauft und der verkümmerten Privatwirtschaft mehr Raum gelassen werden. Was das heißt, erklärt ein Mitglied der Gewerkschaft der U-Bahn-Mitarbeiter. Die Löhne schrumpften im Schnitt von 1300 auf 1000 Euro brutto, 30 Prozent der Stellen fielen weg.
Notkreditgeber drohen
Trotzdem sehen viele Bürger ein, dass der Staat sparen muss. Aber gleich so stark? Griechenland vereinbarte strikte Spar- und Haushalts-Ziele mit seinen Notkreditgebern – EU-Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds. Verfehlt der Staat diese Vorgaben, fließt kein Geld.
Jedoch dürfte Griechenlands Wirtschaftsleistung trotz aller Anstrengungen anders als erhofft auch 2012 sinken, das vierte Jahr in Folge. Das weckt Zweifel am bisherigen Kurs. Als Ökonom würde er schon an Wachstumsimpulse denken, sagt ein Vertreter der EU-Kommission, der anonym bleiben will. „Aber als EU-Beamter setze ich die Beschlüsse der Euro-Länder um.“