Athen. .

Tripolis ist seit einem Monat in der Hand der Rebellen. Doch der Sieg lässt auf sich warten. Die Anhänger des früheren Machthaber Gaddafi halten in einigen Städten immer noch die Stellung. Der Kampf gegen sie ist nicht einfach.

Wo bleibt der Sieg? Gut einen Monat nach der Einnahme der Hauptstadt Tripolis fragen sich immer mehr der früheren Rebellen, warum die letzten Widerstandsnester des Gaddafi-Regimes nicht längst eingenommen worden sind - obwohl der Druck auf Bani Walid, Saba und Gaddafis Geburtsort Sirte eher noch zugenommen hat und die Nato mehr Bomben als zuvor auf die Städte wirft.

Die Gaddafi-Getreuen zeigen sich davon gänzlich unbeeindruckt - und die neuen Herren in Tripolis geben sich zunehmend zerknirscht. „Diese Leute werden bis zum letzten Atemzug kämpfen“, sagt Sadek al Kabir, der Repräsentant des Nationalen Übergangsrates, der Quasi-Regierung der Rebellen, in Tripolis.

Al Kabir geht davon aus, dass die Widerständler in den drei Gaddafi-Hochburgen nicht davor zurückschrecken werden, Zivilisten als menschliche Schutzschilde zu nehmen. „Das macht es für unsere Kämpfer noch schwieriger, diese Orte einzunehmen, denn wir versuchen, Blutvergießen zu vermeiden“, erklärt al Kabir. Während also die Einnahme von Tripolis am 21. August verhältnismäßig rasch ging nach einem monatelangen Kampf gegen das Regime, zieht sich die Eroberung der verbliebenen Gaddafi-Hochburgen hin, es droht ein verlustreicher Abnutzungskampf.

Kämpfen bis zum letzten Atemzug

US-Präsident Barack Obama sagte am Mittwoch in der UN-Vollversammlung, die internationale Gemeinschaft müsse den Libyern weiterhin Hilfe leisten. „Von Tripolis über Misrata bis Bengasi ist Libyen heute frei. Jetzt sind wir alle in der Verantwortung, die neue libysche Regierung zu unterstützen, die vor der Herausforderung steht, ihre Versprechen in einen gerechten und dauerhaften Frieden für alle Libyer umzusetzen“, sagte Obama.

Doch warum dauert der punktuelle Widerstand gegen den Nationalen Übergangsrat so lange? Warum ist er so heftig in Bani Walid, Saba und Sirte? Gadafis Macht ruhte stark auf Stammesbeziehungen, Patronage und Geld. Damit sicherte er über 42 Jahre seine Herrschaft und wurde zum am längsten regierenden arabischen Machthaber. Er traute dabei nicht einmal seiner eigenen Armee, sondern verließ sich auf Söldnertruppen und ausgewählte Unterstützer. Etliche von ihnen verschanzten sich in Sirte, dem Zentrum von Gaddafis eigenem Stamm. Sie sind dem früheren Machthaber immer noch derart ergeben, dass sie tatsächlich „bis zum letzten Atemzug“ kämpfen, wie Rebellen-Repräsentant al Kabir es formulierte.

Rebellen sind erfahren, aber nicht immer erfolgreich

Zwar sind die einstigen Rebellen nach monatelangem Kampf erfahren und besser ausgebildet, doch schaffen sie es trotz intensiver Versuche nicht, die Gaddafi-Hochburgen einzunehmen. Ein Doppelangriff auf Sirte und Bani Walid in der vergangenen Woche blieb erst stecken und wurde dann durch massive Artillerie- und Raketenangriffe der verschanzten Widerstandskämpfer zurückgeschlagen. Lediglich in der Wüstenstatdt Saba an der Straße zu Niger sind den Truppen des Übergangsrates einige Geländegewinne gelungen.

Der ihnen entgegengebrachte Widerstand erinnert an den von US-Truppen im März 2003 besetzten Irak, in dem sich der einstige Machthaber Saddam Hussein noch neun Monate lang verstecken konnte, ehe er in einem Erdloch aufgegriffen wurde. Dass es so lange dauern wird, bis Gaddafi und seine letzten Getreuen aufgeben, glaubt Hassan Essaghayr, Berater des Nationalen Übergangsrates, nicht. Er meint: „Es ist nur noch eine Frage der Zeit.“ Das eigentliche Problem sei, dass die Regierung in Tripolis ihren eigenen Mitstreitern rasch eine zivile Perspektive im neuen Libyen aufzeigen muss.

Diese Einschätzung teilt auch Frederic Wehrey, Libyen-Experte bei der Forschungsgemeinschaft Rand-Corporation: „Die Einnahme der Widerstandsnester ist ein wichtiger Schritt, aber viel wichtiger ist, ob es der Nationale Übergangsrat schafft, den Libyern Elektrizität und alles andere, was ein normales Leben ausmacht, zur Verfügung zu stellen.“ (dapd)