Berlin. . Bundesbildungsministerin Schavan spricht sich gegen eine Quote für Wissenschaftlerinnen an Hochschulen aus. Im Interview mit DerWesten kritisiert sie Pläne der NRW-Landesregierung: „Politik hilft manchmal auch Zurückhaltung“.
Es sind intensive Tage für Bildungsministerin Annette Schavan. Ihre Partei ringt um ein Bildungskonzept, da ist die CDU-Vizechefin gefordert. Als Mitglied des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken erhofft sie sich ihrerseits Orientierung vom Besuch des Papstes und nicht zuletzt von seiner Rede vor dem Bundestag. Ein WAZ-Gespräch über - „Überzeugungsarbeit“.
Frau Schavan, einige nehmen Anstoß daran, dass der Papst vor dem Bundestag reden soll. Können Sie das verstehen?
Schavan: Nein, dafür habe ich kein Verständnis. Der Papst ist nicht nur das Oberhaupt der katholischen Kirche, sondern auch einer der größten Denker unserer Zeit. An seiner Rede müsste jeder interessiert sein – auch wenn er die Überzeugungen des Papstes nicht teilt.
Schaden die Kritiker dem Ansehen des Parlaments?
Schavan: Wir gehen von einem überfüllten Plenarsaal aus. Das Interesse ist also riesengroß. Da will ich mich nicht tagelang mit denen beschäftigen, die fern bleiben. Ich freue mich ganz einfach auf den Besuch, gerade jetzt. Wir reden über eine neue Wertebasis für Europa. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein und Europa nicht allein vom Geld. Da erhoffe ich mir wichtige Impulse von den Reden des Papstes.
Offenbar trifft er sich auch mit den Missbrauchsopfern. Was kann der Papst damit bewegen?
Schavan: Der Papst hat ja bereits bei mehreren Reisen solche Zeichen gesetzt. Ein Treffen in Deutschland ist gerade für unsere Arbeit am „Runden Tisch“ ein starkes Signal.
„Die Hauptschule muss weiterentwickelt werden“
Frau Schavan, für Wirbel sorgt auch das neue Bildungskonzept der CDU. Warum kämpfen Sie für das zweigliedrige Schulsystem mit Gymnasium und Oberschule?
Schavan: In einigen Regionen wird es in zehn Jahren 30 Prozent weniger Schüler geben. In vielen Ausbildungsberufen gibt es höhere Anforderungen als früher. Darauf müssen wir reagieren. Auch jetzt muss niemand seine Hauptschule auflösen. Aber sie muss weiterentwickelt werden.
Schafft sich die Hauptschule ohne Weiterentwicklung ab?
Schavan: Nur noch zwei Prozent der Eltern wünschen für ihre Kinder einen Platz in der Hauptschule. Die Schülerzahlen gehen deutlich zurück. Das spricht für sich.
Warum tun sich Teile der CDU so schwer, das anzuerkennen?
Schavan: Wir diskutieren in einer Zeit, in der sich viel geändert hat: bei der Wehrpflicht und Energie, jetzt bei der Schule. Da fragen mich viele: Warum muss sich so viel ändern? Aber wenn sich die Realität verändert, müssen wir uns fragen, wie unser künftiges Konzept für ein differenziertes Bildungssystem aussieht.
Lehrer auch nach Leistung bezahlen
Wie bewerten Sie den NRW-Schulfrieden, wo jede Kommune die Schulform wählen kann?
Schavan: Der Schulfrieden ist positiv, weil er die Chance eröffnet, nicht noch zehn Jahre über Schulstrukturen zu streiten. Das schafft Raum für die wichtigen Fragen: Wie und was wird gelernt? Das macht das Bildungssystem besser als der ewige Streit um die Schulform.
Im Leitantrag wollen Sie Lehrer mehr leistungsgerecht entlohnen. Was schwebt Ihnen vor?
Schavan: Einige Länder haben mit Zulagen gute Erfahrungen gemacht. Jeder Schulleiter hat ein bestimmtes Budget. Damit belohnt er Dinge, die nicht zu den Kernaufgaben gehören, aber die Schule anziehender machen. Engagierte Lehrer spüren so, dass ihre Leistung wahrgenommen wird.
Sie denken nicht an Zulagen für Lehrer, deren Schüler sehr gute Prüfungen machen?
Schavan: Nein, aber besonders guter Unterricht kann durchaus ein Kriterium sein.
Sie streben einheitliche Lernstandards und Prüfungen an Schulen an. Die leistungsstarken Länder wird das wenig freuen.
Schavan: Die Kultusministerkonferenz hat längst Bildungsstandards verabschiedet, die auch das Abitur berühren. Jetzt muss man sie endlich umsetzen, damit wir eine Situation bekommen, wie bei den Ausbildungsordnungen. Sie gelten deutschlandweit. Keiner kommt auf die Idee, dass ein Schreiner in einem Bundesland anders ausgebildet wird als in anderen.
Keine Quote bei Wissenschaftlerinnen
Da muss man auch bei den Schulabschlüssen hinkommen?
Schavan: Ja. Eltern erwarten vergleichbare Abschlüsse, egal, ob sie ihre Kinder in Potsdam oder Essen zur Schule schicken. Einige Länder machen sich auf den Weg zum Deutschlandabitur. Das ist der richtige Weg, damit gutes Niveau überall Realität wird.
NRW-Ministerpräsidentin Kraft hat Ihr Gesetz zur leichteren Anerkennung von ausländischen Abschlüssen angeprangert. Sie möchte Zuwanderern ein Recht auf Beratung und Nachqualifizierung einräumen. Zu Recht?
Schavan: Mich verwundert die Kritik, weil das Gesetz in engem Einvernehmen mit den Ländern geschrieben worden ist. Ich rate uns allen in Bundestag und Bundesrat, dafür zu sorgen, dass das Gesetz am 1. Januar in Kraft treten kann. Die Betroffenen warten darauf.
Frau Kraft befürchtet, dass die Anerkennungsverfahren unbefristet lange dauern können.
Schavan: Das werden sie nicht. Innerhalb von drei Monaten wird entschieden. Und die Länder können viel dazu beitragen, dass es zügig geht.
Rot-Grün will in NRW per Quote Wissenschaftlerinnen an den Unis fördern. Eine gute Idee?
Schavan: Ich halte viel von der Selbständigkeit von Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Politik hilft manchmal auch durch Zurückhaltung.
Die Quote ist also unnötig?
Schavan: Die Hochschulen wissen selbst, dass ein deutlicher Frauenanteil für sie auch international wichtig ist.