Berlin. . Die Unruhe in der CDU durch die unterschiedlichen Auffassungen über die Lösung der Euro-Krise wächst. Kanzlerin Merkel muss die Zweifel aus dem Weg räumen. Sonst würde sie sogar die Vertrauenfrage in der CDU stellen müssen.

Sie muss über Gefühle reden. Über politische Gefühle wohlgemerkt, was die Aufgabe für Angela Merkel (CDU) nicht wirklich leichter macht. Viele Abgeordnete von Union und FDP haben das diffuse Gefühl, die Politik könnte im Zuge der Euro-Krise in eine Schieflage geraten. Sie sind nicht wenige und auch nicht allein. Gestern hat Bundespräsident Christian Wulff die Staaten aufgefordert, jetzt ihre „Handlungsfähigkeit“ zurückzugewinnen. Auch ihn stimmt es nachdenklich, dass die Börsen die Politik treiben und die Schuldenkrise nicht kleiner, sondern größer wird.

Der Charme von Merkel hielt nur eine Nacht

Wulff blieb vage. Eine Lösung konnte oder mochte der erste Mann im Staat ebenso wenig präsentieren. Aber es ist klar, wer gefordert und gefährdet ist: Merkel. Sie muss erklären und überzeugen, um ihre Mehrheit im Parlament kämpfen. Den jüngsten Versuch dazu startete sie am Dienstagabend vor der Unionsfraktion. Und Merkels Informationsoffensive ließ sich gut an. Am nächsten Morgen war der Charme indes verpufft.

Da lasen die Abgeordneten im „Handelsblatt“, dass längst ein Gesetzentwurf über den Euro-Rettungsschirm vorliegt und dass Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) das Parlament eine Art Generalermächtigung anstrebe. „Wir haben eine Sondersitzung, in der angeblich offen informiert wird und dann wird zu einem wichtigen Punkt nichts gesagt. Das ist fast eine Unverschämtheit“, sagte der Abgeordnete Manfred Kolbe im Gespräch mit der WAZ-Mediengruppe. Zur Stilfrage kommt die Sorge, dass der Bundestag umgangen wird. „Das schafft kein Vertrauen.“

Deutsche Verpflichtungen über 211 Milliarden Euro

In dem Satz verbirgt sich eine Drohung. Der Bundestag soll am 23. September abstimmen. Der Vorsprung von Schwarz-Gelb auf die Opposition beträgt 19 Stimmen, und mit jeder neuen Ungeschicklichkeit rückt diese kritische Größe näher. „Die Zahl der Kritiker nimmt eindeutig zu“, erzählt Kolbe, „es wird immer prominenter“. So kann etwa Vize-Fraktionschef Wolfgang Bosbach nicht erkennen, wie man mit immer mehr Krediten Griechenland auf die Beine helfen könne. Schon die Höhe der Verpflichtungen - fast 780 Milliarden Euro, davon 211 aus Deutschland - macht schwindlig.

Andere ärgern sich, dass die Europäische Zentralbank (EZB) neulich Staatsanleihen kaufte. Wieder andere warnen vor Euro-Bonds. Und dann ist da noch Parlamentspräsident Norbert Lammert. Seit Wochen macht er klar, dass der Bundestag über jedes Hilfspaket entscheiden muss. Generalermächtigung? „Völlig ausgeschlossen“, sagt er.

Wird es kritisch, kann Merkel die Vertrauensfrage stellen

Vier Wochen hat nun Merkel Zeit, zu erklären, beruhigen und beschwichtigen. Am Dienstag ließ sie dazu sogar Grafiken verteilen. Die Fraktion wird in Klausur gehen. Man wird intern zur Probe abstimmen und - bei Gefahr in Verzug - einzelne Abgeordnete ins Gebet nehmen. Wird es kritisch, kann Merkel die Vertrauensfrage stellen. Das ist eine dramatische Geste, die disziplinierende Wirkung hat.

Zurück zur D-Mark oder den Euro stützen? Die Kanzlerin hofft, dass der Stabilitätspakt langfristig wirkt. Sie setzt auf Selbstverpflichtung der EU-Staaten; dass sie sparen und eine Schuldenbremse einführen. Erste Staaten wollen mitziehen, erst Frankreich, nun Spanien. Am liebsten, so deutete Merkel im CDU-Vorstand an, würde sie die EU-Verträge ändern; damit der Europäische Gerichtshof (EUGH) angerufen werden kann, wenn ein Land gegen den Stabilitätspakt verstößt. Aber eine Mehrheit dafür ist nicht in Sicht. Nur die Zweifel sind reell.