Duisburg. Sie schreiben zusammen ein Buch über Klischees: Michael Rubinstein, Leiter der Jüdischen Gemeinde Duisburg, Mülheim, Oberhausen und Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor. Ihr Fazit – trotz aller Vorurteile – Juden und Muslime können miteinander.
Über Juden darf man keine Witze machen, und jeder Moslem ist ein Antisemit. Mit Vorurteilen wie diesen kennen Lamya Kaddor und Michael Rubinstein sich von Berufs wegen aus. Sie ist Islamwissenschaftlerin und Lehrerin für Islamkunde. Er leitet die Jüdische Gemeinde Duisburg, Mülheim, Oberhausen. Kontakte zu Klischees bleiben da nicht aus.
Bisher haben die beiden Duisburger gemeinsam auf Podien dagegen andiskutiert, nicht nur mit Fachwissen, sondern immer auch mit Humor und Schlagfertigkeit. Jetzt aber wollen sie ihr größtes Argument gegen dumpfe Ressentiments ausspielen: ihre Freundschaft. Juden und Muslime können miteinander, das soll ein Buch beweisen, das sie gerade zusammen schreiben.
„Warum tragen Moslems weiße Turnschuhe und Juden Schläfenlocken?“ – so könnte der Titel lauten, sagt Michael Rubinstein und lacht so fröhlich darüber, als hätte es Thilo Sarrazin niemals gegeben.
Raum für Toleranz – und Scherze
Es ist kein Zufall, dass der studierte Medienwirt und die Tochter syrischer Einwanderer sich so gut verstehen. Inmitten einer zumeist trockenen Integrations-Debatte sind ihre Beiträge wohltuend spritzig. Ihr entspannter Umgang mit der eigenen und somit auch mit der Religion der anderen, lässt genügend Raum für Toleranz – und Scherze. „Mein Lieblingsjude“, nennt Kaddor ihren Freund Rubinstein, den sie vor vier Jahren bei einem Seminar auf Einladung der Landesregierung kennenlernte. „Meine Rose des Orients“, witzelt er zurück. Mein Gott, man wird doch wohl noch scherzen dürfen. „Wir müssen immer so bierernst sein“, sagt Kaddor, die 2010 zusammen mit anderen den Liberal-islamischen Bund gründete. Dabei funktioniere das Alltagsleben doch nur mit Humor.
Juden und Muslime würden gemeinsam politisiert, sagt Rubinstein, der in Düsseldorf geboren wurde. „Es gibt eine Diskussion der Stellvertreter.“ Doch er wolle nicht „der Außenposten Israels“ sein: „Ich bin ein Deutscher mit israelischer Mutter.“ Vielleicht liege es aber auch an den Einwanderern und deren Nachkommen selbst, daran, dass sie sich „nicht identifizieren mit diesem Land“.
„Es fehlt die Lockerheit“
Das sieht Lamya Kaddor, die in Ahlen zur Welt kam, anders: „Ich glaube, dass viele Deutschland als Heimat annehmen, aber die Heimat sie nicht aufnimmt.“ Die beiden sind nicht immer einer Meinung, und das wollen sie auch gar nicht sein. Ihr Buch, das in Gesprächsform angelegt ist, soll ihren Dialog widerspiegeln, wie sie ihn sich für den öffentlichen Diskurs auch wünschen: kritisch, aber konstruktiv. Man könnte auch sagen: hart, aber herzlich.
Antisemitismus und Islamfeindlichkeit, Holocaust und Nahost-Konflikt. Das Autoren-Duo will keines der gängigen Themen auslassen, aber auch: Was passiert, wenn ein Jude und ein Moslem heiraten? Oder: Wie steht es um den Feminismus im Islam? Was sagt das Judentum zu Homosexualität? Und da wäre ja noch die Sache mit den Turnschuhen. „Warum immer weiß?“, fragt Rubinstein, natürlich nur halb im Ernst. „Es fehlt die Lockerheit“, sagt er. Wann immer er muslimische Gruppen durch die Synagoge am Duisburger Innenhafen führe, gebe es Aha-Erlebnisse. Über die vielen Gemeinsamkeiten der Religionen, vom Gottesverständnis bis zum Beschneidungsritus.
Die sind alle fromm und gläubig
Und selbst die Klischees, die beiden entgegengebracht werden, seien so ähnlich, allen voran: Die sind alle fromm und gläubig. „Dabei leben neunzig Prozent unserer Gemeindemitglieder nicht orthodox“, sagt Rubinstein, „das ist die Realität.“ Mit ihrem Buch, sagt Kaddor, wollen sie auch zeigen, „dass wir völlig normale Menschen sind, die auch völlig andere Probleme haben“.