Berlin. . Die Bundesregierung will die Regeln für Medikamenten-Werbung lockern. Bald sollen die Konzerne mit Gutachten werben dürfen. SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach wittert eine „gefährliche Form der Klientelpolitik für Pharmaunternehmen“.
Die Regierung will mehr Reklame für Medikamente zulassen. Künftig soll die Pharmaindustrie mit Gutachten für frei verkäufliche, apothekenpflichtige Präparate werben dürfen. Dies sieht ein Arbeitsentwurf zur Änderung des Arzneimittelrechts vor, wie das Gesundheitsministerium bestätigte. Dabei gehe es um eine Anpassung an EU-Recht.
Laut Ärztezeitung soll auch das Werbeverbot für Schlafmittel und Stimmungsaufheller – gegen Müdigkeit, Burnout, Depressionen – fallen. Fast alle dieser Medikamente seien verschreibungspflichtig und unterlägen dem Werbeverbot, konterte das Ministerium.
„Gefährliche Form der Klientelpolitik“
„Das ist eine gefährliche Form der Klientelpolitik für Pharmaunternehmen“, sagte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach der WAZ-Mediengruppe: „Dann kauft sich eine Pharmafirma einen Professor, der für Geld ein Pseudo-Gutachten schreibt.“
„Ich bin zuversichtlich, dass wir am Ende des Gesetzgebungsprozesses über einen Vorschlag entscheiden, der den Ansprüchen einer verantwortungsvollen und transparenten Patienteninformation gerecht wird“, sagte der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Wolfgang Zöller. Zugleich warnte er: „Allen sollte aber klar sein: Übertriebene Werbebotschaften nützen niemanden, sie schaden den Patienten und schädigen auch den Ruf einer Industrie.“
Bahr will Pharmalobby aus Beratergremien verbannen
Die Bundesregierung will jedoch die Pharmalobby aus zentralen Beratergremien verbannen und stößt damit auf heftige Kritik ihrer Verbände. Hintergrund sind von Gesundheitsminister Daniel Bahr geplante Änderungen am Arzneimittelgesetz (AMG), die Sachverständigenausschüsse neu zu strukturieren. Diese geben etwa Empfehlungen ab, ob ein Medikament als apotheken- oder verschreibungspflichtig eingestuft werden soll. "Die Mitglieder dieser Gremien sollen allein der medizinischen oder der pharmazeutischen Wissenschaft angehören", heißt es in einem Papier des Gesundheitsministeriums, das Reuters am Donnerstag vorlag. Damit würden den Gremien nur noch Ärzte und Pharmakologen angehören.
Die Hersteller reagierten mit Unverständnis. "Sicherheit für die Patienten gibt es nur gemeinsam mit der Industrie", sagte Sebastian Hofmann vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI). In den Gremien säßen hochkompetente und streitbare Leute. "Die muss man nicht vor unseren Argumenten schützen", fügte er hinzu. Die Sprecherin des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (VFA), Susan Knoll, sagte, die Wissenschaft sei stets nur eine Seite der Betrachtung, die andere seien die Einschätzungen aus der Praxis. Dies nütze am Ende auch den Patienten.
Verbände bangen um ihren Einfluss
Der Geschäftsführer des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller (BAH), Elmar Kroth, sagte dem "Handelsblatt": "Hier soll eine über drei Jahrzehnte gut funktionierende sinnvolle Kooperation einfach aufgekündigt werden." Mit den Plänen werde suggeriert, dass die Industrie erheblichen Einfluss in den Ausschüssen ausübe, ergänzte ein Sprecher. Dies sei aber nicht der Fall.
Das Ministerium argumentiert dagegen in dem Entwurf, die Neustrukturierung sei "im Hinblick auf die notwendige Unabhängigkeit des Gremiums in rein fachspezifischen Fragen von Zulassungen, der Verschreibungs- und Apothekenpflicht sowie des Arzneibuchs" erforderlich. Die Pläne entsprächen zudem der europäischen Praxis, hieß es aus Koalitionskreisen. Pharmaverbände und Kassen hätten im Anhörungsverfahren ausreichend Gelegenheit, ihre Positionen darzulegen. (mit Reuters)