Bonn. . Burschenschafter streiten über rassistische Aufnahme-Kriterien. Rechtes Gedankengut ist in der Deutschen Burschenschaft weit verbreitet, warnen Experten. Die NRW-Jusos fordern sogar den Rauswurf von Burschenschaftern aus der SPD.
Kann ein Student mit ausländischen Eltern ein ordentlicher Burschenschafter sein? Diese Frage hat jetzt bei der Deutschen Burschenschaft zu einem erbitterten Streit und beinahe zur Spaltung geführt. Der Anlass: Die „Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn“ fordert den Rauswurf einer Mannheimer Verbindung, weil diese einen chinesisch-stämmigen Studenten aufgenommen hatte. Und bewies damit eindrucksvoll, dass ihre Ansichten genauso altertümlich sind wie ihr Name klingt.
Die Emotionen kochten hoch. Der unschöne Begriff „Ariernachweis“ machte die Runde. Schließlich zogen die Bonner einen entsprechenden Antrag zurück. Gerade noch rechtzeitig vor dem Deutschen Burschentag, der vor einigen Tagen mit viel Traditions-Pomp auf der Wartburg in Eisenach gefeiert wurde. Das Bekenntnis zur deutschen Kultur, die deutsche Staatsangehörigkeit und die Abstammung seien zwar weiterhin entscheidende Anforderungen an Bewerber, sagte Burschenschafts-Sprecher Michael Schmidt. Allerdings müsse nicht jeder einzelne dieser Punkte für die Aufnahme erfüllt werden.
„Rechtsextreme gewinnen immer mehr Einfluss“
Der Rechtsruck sei damit aber keinesfalls abgewendet, sagt Historiker Dietrich Heither. Er hat ein Standardwerk über Burschenschaften geschrieben. Sein Fazit: „Die aktuelle Debatte ist nur der Höhepunkt einer längeren Entwicklung. Seit Jahren driftet die Deutsche Burschenschaft zunehmend nach rechts.“ Liberalgesinnte Verbindungen seien bereits Mitte der 90er Jahre ausgetreten, der rechtsextreme Flügel habe dagegen immer mehr an Einfluss gewonnen und besetze wichtige Posten innerhalb des Verbands.
„In der Deutschen Burschenschaft sind nationalistisches und rassistisches Gedankengut weit verbreitet“, klagt auch Rechtspopulismus-Forscher Christoph Butterwegge von der Universität Köln. „Der jüngste Vorgang hat das nur ans Licht gebracht.“ Mit dem Rückzug des Antrags sei das Problem nicht gelöst. „Die Burschenschaften haben es lediglich unter den Teppich gekehrt, um ihr Image zu schonen“, sagt Butterwegge. Man hätte ja auch die Bonner Burschenschaft rauswerfen können, die den „Abstammungsnachweis“ gefordert hatte.
NRW-Jusos fordern Rauswurf von Burschenschaftern
Die Jusos in NRW fühlen sich bestätigt: Die Jugendorganisation fordert bereits seit einigen Jahren, dass Mitglieder der Deutschen Burschenschaft aus der SPD ausgeschlossen werden sollen. Der Parteivorstand will sich damit in Kürze beschäftigen. „Das intolerante und latent rassistische Weltbild der Burschenschafter widerspricht den Grundwerten der SPD“, sagt Veith Lemmen, Vorsitzender der NRW-Jusos. „Damit schließt es sich eindeutig gegenseitig aus, gleichzeitig Sozialdemokrat und Mitglied der Deutschen Burschenschaft zu sein.“
Bereits 2006 sind die Jusos mit dem gleichen Vorstoß am Parteivorstand gescheitert. Ob sie diesmal eine Chance haben, ist laut Lemmen schwer einzuschätzen. Auch in der SPD gebe es schließlich Mitglieder mit burschenschaftlicher Vergangenheit. Die hätten ziemlich reserviert reagiert. Ausgeschlossen aus der SPD ist bislang nur die Burschenschaftliche Gemeinschaft. „Sie bildet innerhalb der Deutschen Burschenschaft den rechtsextremen Kern“, sagt Heither. Dazu zählt auch die Münchner Burschenschaft Danubia, die bereits vom Verfassungsschutz beobachtet wurde. In NRW gehören Verbindungen in Aachen, Bonn und Münster dazu.
„Leistungsdruck erhöht Attraktivität der Burschenschaften“
In Deutschland gibt es rund 1000 Studentenverbindungen. Die Deutsche Burschenschaft ist ein Dachverband mit mehr als 120 Verbindungen, rund 1500 Studenten und etwa 10.500 Alten Herren. In NRW gibt es Mitgliedsbünde unter anderem in Essen, Bochum, Düsseldorf, Bonn, Münster und Siegen.
NRW-Juso-Chef Lemmen studiert selbst in Münster. In der traditionellen Universitätsstadt gehören die Fahnen der Verbindungshäuser zum Straßenbild. Man könne jedoch nicht alle Studentenverbindungen über einen Kamm scheren, sagt Lemmen. Schließlich gebe es auch solche, die Frauen aufnehmen würden. Dennoch fielen einige Burschenschaften immer wieder durch rechte Äußerungen auf. Gerade zu Semesterbeginn würden sie versuchen, Studienanfänger zu ködern – zunächst mit günstigen Wohnungsangeboten. „Die Gesinnung kommt dann durch die Hintertür“, sagt Lemmen.
Die Zeit, als Burschenschafter in vielen Entscheider-Positionen in Politik und Wirtschaft saßen, sei vorbei, sagt Butterwegge. Dennoch sei eine Mitgliedschaft immer noch nützlich, gerade für Ärzte und Juristen. Der Experte fürchtet zudem, dass die Attraktivität der Burschenschaften steigen könnte. „Wenn der Leistungsdruck an Universitäten weiter zunimmt und gleichzeitig rechtpopulistische Strömungen anerkannter werden, könnte das den Burschenschaften neuen Auftrieb geben“, sagt er.
„Sarrazin hat rechtsextreme Burschenschafter ermutigt“
Schuld daran ist laut Butterwegge auch Thilo Sarrazin. Der SPD-Politiker und Ex-Bundesbankchef habe Rassen-Ideologien befeuert und damit der politischen Kultur in Deutschland massiv geschadet. „Das hat auch die rechtsextremen Kräfte innerhalb der Burschenschaften auf den Plan gerufen“, sagt Butterwegge. „Sie trauen sich jetzt, ihre Vorstellungen öffentlich zu äußern.“
Auf der Internetseite der „Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn“ ist unter „Aktuelles“ nichts von der Aufregung über den Antrag zu lesen. Dafür werben die Burschenschafter für einen Vortragsabend in ihrem Haus. Der Titel: „Sarrazin und die Meinungsfreiheit“. Der Referent: Felix Menzel. Im vergangenen Winter hatte der bei einem Auftritt vor einer Bielefelder Burschenschaft Grünen-Chefin Claudia Roth als „fette Qualle“ beschimpft. Roth konterte mit einer Strafanzeige und einer Stellungnahme: „Die ganze Veranstaltung habe das Ziel gehabt, rechtsextreme Weltbilder salonfähig zu machen.“