Berlin. . Nach den ersten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen hatte diese Szene Symbolkraft: Als Kanzlerin Merkel zu Bemerkungen über den Rechtsstaatsdialog ansetzte, fiel ihrem Gast, Ministerpräsident Wen Jiabao, der Kopfhörer vom Ohr.

Die Szene hatte Symbolkraft und war eine Steilvorlage für die Journalisten. Ausgerechnet als Kanzlerin Angela Merkel bei der Pressekonferenz nach den ersten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen zu Bemerkungen über den Rechtsstaatsdialog ansetzte, fiel ihrem Gast der Kopfhörer vom linken Ohr.

Ministerpräsident Wen Jiabao brauchte am Dienstag im Kanzleramt eine ganze Weile, bis er das Gerät wieder befestigt hatte - so, als wolle er gar nicht hören, was die deutsche Regierungschefin ihm da zu sagen hatte.

„Wir haben über den Rechtstaatsdialog gesprochen. Darüber, dass es hier Felder gibt, in denen wir eindeutige Fortschritte gemacht haben“, hatte Merkel erklärt und dann kritisiert, „dass es auch noch Themen gibt, bei denen wir noch viel zusammen arbeiten müssen, auch noch eine weite Wegstrecke vor uns haben“. Sie denke da an „die Durchführung rechtsstaatlicher Verfahren“, fuhr die CDU-Chefin fort. Äußerlich war Wen keine Regung anzumerken, aber innerlich muss er da wohl gezuckt haben. Der Kopfhörer jedenfalls glitt ihm vom Ohr.

Dass die Kanzlerin sich erfreut über die Freilassung des Künstlers Ai Weiwei und des Dissidenten Hu Jia äußerte, bekam Wen deshalb zunächst gar nicht mit. Er fummelte weiter an seinem Mono-Kopfhörer herum. Merkel registrierte es und mahnte in Erwartung des nächsten Malheurs schnell ein „transparentes Verfahren“ für Ai und alle anderen, von solchen Verfahren betroffene Chinesen an.

„Wer braucht da noch Menschenrechte“

Schließlich machte Merkel noch öffentlich, dass sie bereits beim gemeinsamen Abendessen mit Wen am Montagabend bessere Arbeitsbedingungen für deutsche Journalisten in China angemahnt hatte. Die Berichterstatter bräuchten „gute Möglichkeiten“, in der Volksrepublik zu arbeiten, um fair von dort zu berichten, sagte sie. Prompt hatte Wen wieder Probleme mit der Technik.

Von den Beobachtern wurden Merkels Äußerungen mit einigem Erstaunen aufgenommen, waren sie in dieser Deutlichkeit doch nicht erwartet worden. Aus Regierungskreisen hatte es zuvor noch geheißen, manche Dinge bespreche man besser unter vier Augen und hänge sie um des diplomatischen Friedens Willen nicht an die große Glocke.

Wen allerdings nahm sich dieser Devise an und schwieg. Nachfragen an den Ministerpräsidenten zu diesem Thema waren nicht möglich, und so oblag es Tobias Schlegl, den Schlusspunkt zu setzen. Zum Ende der Pressekonferenz versuchte der Moderator der NDR-Satiresendung „Extra 3“, Wen eine Winkekatze zu überreichen, an deren Arm er einen kleinen Knüppel geklebt hatte.

Der Versuch scheiterte aber ebenso wie Schlegls vorheriges Ansinnen, den Journalisten China-Fähnchen zum Winken in die Hand zu drücken. Schlegls Ausruf „Freie Fahrt für die Wirtschaft. Wer braucht da noch Menschenrechte“ - auch ihn dürfte Wen nicht gehört haben.

Deutschland und China schließen Verträge für 10,6 Milliarden Euro

Deutschland und China haben bei ihren ersten Regierungskonsultationen Verträge im Wert von mehr als zehn Milliarden Euro besiegelt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lobte am Dienstag nach dem Treffen von 13 Ministern aus China mit ihren deutschen Kollegen die „Intensität der bilateralen Beziehungen“.

Das Volumen der abgeschlossenen Verträge belaufe sich auf mehr als 15 Milliarden Dollar (über 10,6 Milliarden Euro), sagte Wen nach der Unterzeichnungszeremonie in Berlin. Der mit einer großen Delegation angereiste Regierungschef war zum offiziellen Auftakt der Kabinettsberatungen mit militärischen Ehren am Kanzleramt empfangen worden.

China und Deutschland schlossen insgesamt 14 Verträge ab. Dazu gehören eine Vereinbarung über China als Partnerland der Hannovermesse 2012, zur Erleichterung gegenseitiger Investitionen und die Errichtung eines deutschen Generalkonsulats in der chinesischen Metropole Shenyang. Beide Seiten vereinbarten einen engeren Austausch in den Bereichen Forschung und Wissenschaft, Justiz, Klimaschutz und erneuerbare Energien.

China bestellt 88 Airbus-Flugzeuge

Einen Milliardenauftrag erhielt der europäische Flugzeugbauer Airbus, bei dem China nach Regierungsangaben 88 Airbus-Flugzeuge vom Typ A320 im Wert von 5,2 Milliarden Euro kauft. Die Bundesregierung hatte zunächst von 62 Maschinen gesprochen, sich dann aber korrigiert. Das Geschäft hat Medienberichten zufolge ein Volumen von sieben Milliarden Euro. Der Kauf der Airbus-Maschinen war Medienberichten zufolge lange Zeit umstritten, da China von der EU eine Ausnahme von der anstehenden CO2-Abgabe für den Flugverkehr in der Europäischen Union gefordert hatte. Volkswagen vereinbarte mit seinem chinesischen Partner FAW den Bau einer neuen Fabrik in China. Auch Daimler und Siemens vereinbarten Rahmenverträge für Investitionsprojekte.

Die Regierungskonsultationen hätten „ein neues Kapitel aufgeschlagen in den deutsch-chinesischen Beziehungen, die von strategischer Natur sind“, sagte Merkel. Wen sagte, mit dem historischen Treffen sei die Grundlage gelegt worden für eine langfristige Zusammenarbeit. Die Kanzlerin nahm eine Einladung Wens an, der sie aufrief, noch in diesem Jahr China zu besuchen. Ein Termin für eine solche Reise oder die nächsten Regierungskonsultationen wurde zunächst nicht genannt.

Differenzen zum Thema Libyen und Syrien

Wen hob das Vertrauen Chinas in die europäische Wirtschaft hervor. China werde wenn nötig, nach Bedarf „in angemessenem Maß“ auch Euro-Anleihen kaufen. „Wenn der Euro Probleme hat, streckt China seine Hand aus“, sagte Wen.

Auch die kritische Lage in Libyen und Syrien war Gegenstand der Beratungen, hier räumten beide Seiten Differenzen ein. China lehnt das militärische Eingreifen der NATO in Libyen als Einmischung in innere Angelegenheiten ab und steht einer auch von Deutschland unterstützten Syrien-kritischen Resolution des UN-Sicherheitsrats ablehnend gegenüber.

Merkel sprach nach eigenen Angaben gegenüber Wen auch die Menschenrechtslage in China an. Sie habe darauf hingewiesen, dass nach der kürzlich erfolgten Freilassung der Regimekritiker Ai Weiwei und Hu Jia nun transparente Verfahren für die Betroffenen folgen müssten, sagte Merkel. Wen betonte, beide Seiten sollten in ihren Beziehungen „eher nach Gemeinsamkeiten suchen als nach Unterschieden“. (dapd/afp)