Russland liefert nukleare Brennstäbe – und der Westen zollt Beifall. Aber die Ungewissheit über die Absichten des Regimes der Mullah bestehen fort.

Condoleezza Rice und US-Präsident George W. Bush. (Foto:afp)
Condoleezza Rice und US-Präsident George W. Bush. (Foto:afp) © AFP

Mancher mag sich verwundert die Augen reiben, dass der amerikanische Präsident russische Lieferungen von Nuklearbrennstäben an den Iran „unterstützt“. Ausgerechnet George W. Bush! Der das Regime der Mullahs bislang zur „Achse des Bösen“ rechnete, der die Staatenwelt gleichwohl zu verschärften Sanktionen drängt, der das Land als nächstes Ziel einer militärischen Intervention auserkoren hatte. Verkehrte Welt? Mitnichten. Seit die 16 US-Geheimdienste Bush (und den Rest der Welt) mit ihrer bahnbrechenden Erkenntnis überrascht haben, der Iran habe 2003 den militärischen Teils seines Nuklearprogramms gestoppt und bisher nicht wieder aufgenommen, ist der militanten Variante der amerikanischen Iran-Politik der Boden entzogen.

Die Russen, offensichtlich im Besitz ähnlicher Erkenntnisse, begannen vor wenigen Tagen mit der Lieferung von 180 Brennstäben für das von Siemens begonnene, aber immer noch unfertige Atomkraftwerk im iranischen Buschehr. Lange hatten sie damit, unter vielerlei Vorwänden, gezögert. Jetzt hat sich der Iran verpflichtet, die Nutzung der Brennelemente von der Internationalen Atomenergie Behörde (IAEO) überwachen zu lassen und die Stäbe nach Gebrauch an Russland zurück zu liefern. Dagegen kann die US-Regierung nichts einwenden. Moskau verlangt zugleich, dass Teheran – wie vom UNO-Sicherheitsrat beschlossen – seine Urananreicherung in der Atomanlage Natan beendet. Diese Forderung hat die iranische Regierung vorerst abschlägig beschieden.

Atomkonflikt wird innenpolitisch instrumentalisiert

Der russische Präsident Vladimir Putin. (Foto:afp)
Der russische Präsident Vladimir Putin. (Foto:afp) © AFP

Dass Russland dennoch liefert, liegt an Präsident Putins bei seinem kürzlichen Besuch in Teheran gewonnener Erkenntnis, der Iran biete alle Chancen, sich auf eine friedliche Nutzung der Kernenergie festlegen zu lassen. Zudem ist Moskau dringend an lukrativen wirtschaftlichen Beziehungen zu dem Anrainerstaat am Kaspischen Meer interessiert. Eine Atommacht Iran indessen hält Russland ebenso wie der Westen für einen Albtraum.

So hat die Enthüllung des 100 Seiten starken „National Intelligence Estimate“ der US-Geheimdienste zwar fürs erste den Zeitdruck für eine diplomatische Lösung des iranischen Atomproblems gemindert. Aber Irans Festhalten an der Urananreicherung lässt die Tür die Produktion waffenfähiger Produkte offen. Hinzu kommt, dass der vom Regime in Teheran zurückgezogene Verhandlungsführer Laridschani als Befürworter einer politischen Lösung galt, sein Nachfolger Dschalili indessen noch nicht zu erkennen gegeben hat, ob er bei dieser Linie bleibt. Offen ist auch, ob der iranische Präsident Ahmadineschad den Atomkonflikt weiter innenpolitisch zu instrumentalisieren trachtet.

„Entweder die iranische Bombe oder Bomben auf den Iran.“

Für Konfusionen hatten schließlich die erbitterten Positionskämpfe um den Iran-Kurs in Washington gesorgt. Allem Anschein nach haben sich Außenministerin Rice und Verteidigungsminister Gates gegen die Hardliner um Vizepräsident Cheney durchgesetzt. Letztere hatten stets mit einer militärischen Option gedroht und getönt, das iranische Atomprogramm könne einen Dritten Weltkrieg auslösen. Frankreichs Präsident Sarkozy hatte bei seiner Visite vor wenigen Wochen in Washington die Handlungsalternative auf die Formel gebracht: „Entweder die iranische Bombe oder Bomben auf den Iran“.

Seit die US-Schlapphüte die Flucht nach vorn angetreten haben, ist diese Option erstmal vom Tisch. Offensichtlich stellen sich die geheimen Dienste auf einen Regierungswechsel in Washington 2009 ein. Jedenfalls wollen sie nach dem Irak-Desaster nicht ein zweites Mal mit fragwürdigem Material für ein militärisches Abenteuer verantwortlich sein. So brachten die Geheimdienstler die aggressive Iran-Rhetorik aus dem Weißen Haus krachend zum Einsturz. Die Schadenfreude in Moskau innerhalb der Kreml-Mauern ist nicht zu überhören.

Status einer „virtuellen Atommacht“

Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad. (Foto:afp)
Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad. (Foto:afp) © AFP

Doch beruhigen kann das alles nicht. Selbst wenn der Iran seit 2003 kein waffen-fähiges Uran mehr herstellte, heißt dies im Umkehrschluss: Die 3000 in der Atomanlage Natan laufenden Zentrifugen produzieren nach wie vor schwach angereichertes Uran. Welche Absicht Iran damit verbindet, wissen die Geheimdienste, nach eigenem Eingeständnis, nicht.

Doch der Schluss bleibt erlaubt, dass Iran selbst mit der Herstellung schwach angereicherten Urans das Ziel verfolgt, zu einer Nuklearmacht aufzusteigen. Der Staat der Mullahs, so vermuten IAEO-Experten, strebe womöglich – ähnlich wie Japan – den Status einer „virtuellen Atommacht“ an, will sagen: Alle für den Bau der Bombe erforderlichen Materialien werden auf Halde produziert. Damit wird der Atomwaffensperrvertrag, den Iran unterzeichnet hat, nicht verletzt, weil das Regime vorgibt, das Uran lediglich für zivile Zwecke anzureichern.

Das aber könnte ein Trick sein. Denn 2015 hätte Iran auf diesem Weg ausreichend schwach angereichertes Uran zur Verfügung, um innerhalb eines nur halben Jahres 1500 Kilogramm waffenfähiges Uran herzustellen. Für eine „normale“ Atombombe werden ca. 25 Kilogramm benötigt …

Deutschland fährt den Handel mit dem Iran zurück

Die Staatengemeinschaft – Russland und China eingeschlossen – muss daher ihren Druck auf Iran aufrecht erhalten. Sie sollte aber das innenpolitisch ja durchaus be- drängte, weil wirtschaftlich wenig erfolgreiche Regime nicht als Paria der Weltpolitik behandeln. Vordringlich sind jetzt Verhandlungen auf Augenhöhe, um den Beschlüssen des UNO-Sicherheitsrates zum Erfolg zu verhelfen, das iranische Atomprogramm transparent zu machen und international kontrollieren zu lassen. Dieser Verhandlungsansatz, kombiniert mit ökonomischen Anreizen, hat sich in Nordkorea, unter freilich anderen Umständen, bewährt.

Und die Deutschen? Sie haben unter massivem (!) amerikanischen Druck ihre Handelsbeziehungen zu Iran unter Schmerzen zurückgefahren. Den USA, die allenfalls auf den Import von Perserteppichen und Pistazien verzichten müssen, macht hingegen der Ruf nach noch mehr Sanktionen so gut wie nichts aus. Doch eine Verschärfung des Sanktionsregimes sollte eine ultima ratio bleiben. Denn es nähme der deutschen Wirtschaft die Möglichkeit, die traditionell guten Handelsbeziehungen auszubauen und damit politisch auf die Regierung in Teheran einzuwirken.