Berlin. . Bundeskanzlerin Merkel hat bei Führungskräften in Wirtschaft, Politik und Verwaltung Vertrauen verspielt, in der Bevölkerung aber gewonnen. Das ergeben die am Dienstag veröffentlichte Capital-Elite-Untersuchung und eine Umfrage für den „Stern“.

„Schwach, ungeschickt und unglaubwürdig“, lautete die vorherrschende Beurteilung Merkels und ihrer Regierung bei einer Befragung von mehr als 500 Führungskräften im Auftrag der Wirtschaftszeitschrift „Capital“. Mehr als die Hälfte der Teilnehmer - 58 Prozent - sehen Merkel inzwischen als schwache Kanzlerin. Sechs Monate zuvor noch fällten 37 Prozent dieses Urteil.

„Das ist in der Amtszeit der Kanzlerin die kritischste Bewertung, die sie bisher erfahren hat“, erläuterte Renate Köcher vom Allensbacher Institut für Demoskopie, das die Befragung vornahm. In Zeiten der großen Koalition war Merkel zeitweise im Capital-Elite-Panel von mehr als 80 Prozent der Befragten als starke Kanzlerin bewertet worden.

Bürger vertrauen Merkel mehr als allen anderen Politikern

Besonders drastisch büßte Merkel seit Dezember 2010 bei den Spitzenkräften an Glaubwürdigkeit ein. Nur noch 18 Prozent hielten ihre Aussagen für glaubwürdig; über 30 Prozentpunkte weniger als bei der letzten Umfrage. Am meisten Zustimmung gab es für die Formulierung „bestimmt den Kurs ihrer Partei“. Das bejahten mit 62 Prozent deutlich mehr Top-Entscheider. Und mit 57 Prozent sprachen ihr immer noch mehr als die Hälfte der Befragten Kompetenz und Sachverstand zu. 77 Prozent der Führungskräfte sind aber enttäuscht von der Bilanz der Regierung insgesamt, und 78 Prozent halten sie für schwach und wenig handlungsfähig. Vor allem die Kehrtwende in der Energiepolitik mit dem raschen Atomausstieg halten die meisten Führungskräfte für falsch.

In der „Stern“-Umfrage zur Politiker-Einschätzung in der Bevölkerung dagegen legte Merkel zu und genießt inzwischen wieder am meisten Vertrauen gemessen an allen anderen Politikern. Auf der Skala zwischen 1 (kein Vertrauen) und 100 (sehr hohes Vertrauen) kommt sie auf 59 Punkte, vier mehr als vor drei Monaten. Rang zwei unter den Funktionsträgern in den Parteien erreichte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier mit 56 Punkten, gefolgt von Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit je 52 Punkten. Außer der Reihe äußerten die Befragten mit 57 Punkten viel Vertrauen in den früheren Finanzminister Peer Steinbrück, der derzeit in seiner Partei, der SPD, aber kein Amt innehat.

Rösler bei Spitzenkräften und Bevölkerung unbeliebt

Eher unterdurchschnittlich schnitt der neue FDP-Chef und Wirtschaftsminister Philipp Rösler in der „Stern“-Umfrage ab, in der er 40 Punkte sammelte. Rösler erfreut sich auch unter den Spitzenkräften keiner sonderlichen Wertschätzung - sie sind inzwischen wieder mehrheitlich von der Wirtschaftspolitik der Regierung enttäuscht. 56 Prozent sehen in Rösler einen schwachen FDP-Chef, und auch einen Politikwechsel der Liberalen erwarten fast zwei Drittel der Befragten unter Rösler nicht. Steuersenkungen sieht die übergroße Mehrheit als die falsche Kernbotschaft, um das liberale Profil der FDP zu stärken.

Würde der Bundestag am Sonntag neu gewählt, könnten CDU und CSU laut Forsa-Umfrage mit 32 Prozent der Stimmen rechnen und würden zum zweiten Mal in Folge einen Punkt hinzugewinnen. Die FDP stagniert in einer Umfrage für „Stern“ und RTL bei vier Prozent. Die Grünen geben einen Punkt auf 25 Prozent ab, sind aber weiter stärker als die SPD, die erneut 23 Prozent erreicht. Die Linkspartei bleibt bei neun Prozent. (rtr)