Die Grünen-Fraktionschefin Künast im Interview über Bündnisse mit der Union, Schnittmengen mit der SPD und die Debatte um einen eigenen Kanzlerkandidaten.

Offiziell hat Joschka Fischer zwar abgewinkt. Doch die Bürger halten den Ex-Außenminister für den besten Mann, falls die Ökopartei 2013 einen eigenen Kanzlerkandidaten benennt. Im Interview spricht Grünen-Fraktionschefin Renate Künast über diese K-Frage und schwarz-grüne Bündnisse:

Frau Künast, das Bildungspaket wird kaum angenommen. Was muss Arbeitsministerin von der Leyen machen, damit es noch zum Erfolg wird?

Künast: Sie muss für Aufklärung sorgen und dafür, dass alle Leistungsberechtigten persönlich angeschrieben und über ihre Rechte informiert werden. Dann wissen sie auch, wo sie welchen Antrag stellen können.

Reicht das aus?

Künast: Nein. Es wäre besser, das Geld direkt an die Institutionen auszuzahlen, von den Schulen, die Mittagessen ausgeben, bis hin zu den Bildungsträgern. Dann hätten die Einrichtungen mehr Planungssicherheit und könnten auch sicherstellen, dass sie das erforderliche Personal für zum Beispiel Sport- oder Musikkurse haben.

Ist das Bildungspaket zu kompliziert – oder wollen Hartz-IV-Empfänger einfach nur Bares statt Bildungsleistungen?

Künast: Das ist eine Unterstellung, die ich nicht teile. Ein Beispiel: Wenn Kinder wissen, dass sie mit ihren Freunden in den Fußballverein gehen können, dann werden viele das auch wollen und ihre Interessen durchsetzen. Allerdings müssen die Kinder und ihre Eltern erst einmal erfahren, dass es dazu Hilfen aus dem Bildungspaket gibt. Auch die Schulen müssen darüber Bescheid wissen. Dieses Wissen zu vermitteln, hat Frau von der Leyen verschlafen.

Die Grünen kommen aktuell in Umfragen auf 28 Prozent und die SPD auf 23 Prozent. Wie nachhaltig ist der Höhenflug?

Künast: Was heißt Höhenflug in den Umfragen? Wir legen seit 2005 bei Wahlen auf Landes- und Bundesebene kontinuierlich zu. Das ist ein nachhaltiger Aufschwung, auch wenn die Umfragen mal zwei Prozent nach oben oder unten gehen. Wir sind glaubwürdig und werteorientiert, das honorieren die Menschen. Und sie wissen auch, dass Grüne Wirtschaft können.

Die Grünen sind also auch die Wirtschaftspartei?

Künast: Die Wirtschaftspartei des 21. Jahrhunderts, ja. Wir stehen für intelligenten Umgang mit Rohstoffen und Ressourcen, für Effizienztechnologien und Energieeinsparung. Mit der Green Economy entstehen die Jobs der Zukunft.

Wann wird für die Partei die Frage relevant, ob sie einen eigenen Kanzlerkandidaten stellt?

Künast: Jetzt jedenfalls nicht. Wir arbeiten erst einmal weiter solide an den Themen, die das Land bewegen: Energiewende, Bildung, nachhaltige Mobilität, um nur einige zu nennen.

Warum sehnen sich die Wähler nach einem Kanzlerkandidaten Joschka Fischer?

Künast: Ich glaube, da wird viel Sehnsucht herbeigeschrieben. Joschka Fischer hat sich zu diesem Thema klar geäußert.

In Baden-Württemberg haben die Grünen im Wahlkampf ein Bündnis mit der SPD angestrebt und gewonnen. Sollte sich die Partei generell wieder stärker Richtung SPD orientieren?

Künast: In Baden-Württemberg hat Winfried Kretschmann einen sehr eigenständigen grünen Wahlkampf geführt. Den Grünen ist es zusammen mit der SPD gelungen, die Vorherrschaft der CDU nach 57 Jahren zu beenden. Wir Grüne sind eigenständig und machen eigenständige Wahlkämpfe. Wir wissen, dass wir eine große Schnittmenge zur SPD haben, aber in erster Linie geht es uns darum, die Wähler für die grünen Ideen zu begeistern. Was in Baden-Württemberg hervorragend gelungen ist.

Was spricht gegen Schwarz-Grün auf Bundesebene außer der Atomenergie, wo die CDU nun den Ausstieg forcieren will?

Künast: Ich will erst einmal sehen, ob die CDU den Atomausstieg und den Einstieg in erneuerbare Energien schafft. Auch in anderen Politikfeldern hätte sie eine Modernisierung dringend nötig, bevor wir über Bündnisse reden.