Düsseldorf.. Im Streit um Brennelemente-Kugeln aus dem Ex-Forschungsreaktor Jülich geht Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) in die Offensive. Sogar das CDU-geführte Bundesministerium für Forschung habe die widersprüchlichen Angaben des Jülicher Zentrums in einer internen E-Mail als „Zahlensalat“ bezeichnet.
Im Streit um Brennelemente-Kugeln aus dem Ex-Forschungsreaktor Jülich geht Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) in die Offensive. Sogar das CDU-geführte Bundesministerium für Forschung habe die widersprüchlichen Angaben des Jülicher Zentrums in einer internen E-Mail als „Zahlensalat“ bezeichnet, sagte Schulze am Freitag im nordrhein-westfälischen Landtag.
Der Nachrichtenagentur dapd liegt die E-Mail des Bundesministeriums vom 10. März vor. Zudem gibt es eine Mail des Forschungszentrums Jülich vom selben Tag, wonach eine Rundung der Angaben zu den Kugeln vorgeschlagen wird, „um auf eine konsistente Zahl zu kommen“.
SPD und Grüne sehen darin einen unseriösen Vertuschungsversuch. Die CDU forderte den vollständigen Schriftverkehr und sprach von einem „Ablenkungsmanöver“ der Landesregierung. Eine Sprecherin des Jülicher Zentrums betonte, man habe nicht gerundet, sondern auf Basis des spaltbaren Materials die Zahl der Kugeln rekonstruiert. Man habe „richtig und widerspruchsfrei“ informiert. Zum Vorwurf des „Zahlensalats“ wollte sie nichts sagen.
Streit um unstimmige Angaben
CDU und FDP bekräftigten ihre Kritik an Schulze und legten ihr den Rücktritt nahe. Die Ministerin habe „gezielt manipuliert“ und eine „Angstkampagne inszeniert“, sagte FDP-Fraktionschef Gerhard Papke. Der CDU-Abgeordnete Hendrik Wüst warf ihr ein „skrupelloses“ Vorgehen vor. Auch die Linke rügte Rot-Grün.
Anfang April war eine Debatte wegen unstimmiger Angaben des Forschungszentrums über die auf dem Gelände gelagerten Brennelemente aufgekommen. Die Landesregierung hatte als Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen mitgeteilt, dass 2.285 Brennelementekugeln in Jülich vermisst würden. Es hieß, sie könnten möglicherweise in der Asse in Niedersachsen eingelagert worden sein. Der Bund widersprach dieser Darstellung. Auch das Land räumte daraufhin ein, dass der Atommüll immer in Jülich gelagert worden sei.
CDU und FDP gehen davon aus, dass die Landesregierung nach der Katastrophe von Fukushima ihre Angaben zu Jülich verschärft habe. Die Regierung weist dies zurück. Korrekturen seien bereits vor Bekanntwerden der Katastrophe vorgenommen worden.
Zu „Missverständnissen“ war es laut Schulze gekommen, weil ihr Ministerium sich bewusst auf „Kugeln“ bezogen habe. Wegen Kugelbruchs sei die genaue Zahl der Brennelemente-Kugeln aber nicht mehr zu ermitteln. Das radioaktive Material aus den Kugeln aber lasse sich in Jülich nachweisen, betonte die Ministerin.
Spezielle Reaktor-Technologie
Laut einem Bericht der Berliner „tageszeitung“ (Freitagausgabe) räumte das zu 90 Prozent vom Bund kontrollierte Forschungszentrum Jülich nun erstmals ein, dass beim Betrieb 359 Brennelemente zerstört worden seien - 60 Prozent mehr als bisher zugegeben.
Der Versuchsreaktor in Jülich lief von 1966 bis 1988 und wird seitdem zurückgebaut. Er galt als Prototyp für den 1989 ebenfalls von der damaligen SPD-Landesregierung stillgelegten Thorium-Hochtemperatur-Reaktor (THTR) in Hamm-Uentrop.
Die THTR-Technologie unterscheidet sich deutlich von der Funktionsweise der in Westeuropa hauptsächlich verbreiteten Leichtwasserreaktoren. In den THTR sind die von einem Graphitmantel umhüllten, tennisballgroßen Brennelementkugeln übereinander aufgeschichtet. In einem einzigen Brennelement befinden sich wiederum Tausende winzige Kügelchen, die aus Plutonium, Americium und Curium bestehen. Gekühlt werden diese Reaktoren nicht mit Wasser, sondern mit Edelgasen. (dapd)