Essen. NRW und Niedersachsen wollen mit verdeckten Kontrollen den illegalen Verkauf von Computerspielen an Minderjährige eindämmen. Eine Studie schlägt Alarm: Viele Jugendliche spielen exzessiv und werden süchtig.
Als eine Konsequenz aus dem Amoklauf an einer Schule in Winnenden wollen mehrere Bundesländer die Kontrollen für so genannte Killerspiele verschärfen. „Die Ordnungsämter und Polizeibehörden sind aufgerufen, Testkäufer einzusetzen, deren Alter knapp unter der Grenze liegt”, sagte eine Sprecherin von NRW-Familienminister Armin Laschet (CDU) der WAZ.
Im Falle eines Missbrauchs müssten die Verkäufer mit Bußgeldern rechnen, die Spiele würden konfisziert. „Es ist erschreckend wie leicht Kinder und Jugendliche an Spiele kommen, die nicht für sie freigegeben sind”, betonte auch Niedersachsens Sozialministerin Mechthild Ross-Luttmann (CDU).
„Mit einem Verbot der Killerspiele wird das Problem nicht gelöst”, sagte dagegen der Freiburger Kriminologe Helmut Kury der WAZ. Zwar stelle Spielsucht ein ernstes Problem dar, vor allem weil die Spiele immer realistischer würden. Entscheidend für das Verhalten der Jugendlichen sei aber das familiäre Umfeld, das Maß an Offenheit und Geborgenheit für die Kinder.
167 Minuten am Wochenende
Computerspielsucht von Kindern wird nach Ansicht des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) zu einem immer gravierenderen Problem. Einer neuen Studie zufolge verbringen männliche Neuntklässler an Schultagen durchschnittlich 130 Minuten vor dem PC – am Wochenende sogar 167 Minuten. Jeder sechste Junge spiele exzessiv: mehr als viereinhalb Stunden am Tag.
Der Leiter des Instituts, Christian Pfeiffer, beziffert die Gesamtzahl der computerspielsüchtigen Kinder und Jugendlichen auf bis zu 60.000. „Allein durch Computerspiele wird man nicht zum Amokläufer”, betonte Pfeiffer, „aber sie sind durchaus ein Risiko.”
Streben nach Allmacht
Ähnlich argumentiert der münstersche Kriminologe Klaus Boers. Es sei zwar schwierig, einen direkten Zusammenhang zwischen Gewaltspielen und Amokläufen herzustellen. „Aber ein Jugendlicher, der Ohnmacht empfindet, kann die heutige Medienkultur mit ihren vielen Gewaltbildern durchaus als Kompensation empfinden. Plötzlich kommt ein Allmacht-Streben auf, das jeden Rest an Mitgefühl zunichte machen kann und ein moralisches Vakuum offenbart.”
Das KFN warnt vor allem vor den Suchtgefahren, die insbesondere von Online-Rollenspielen ausgehe. Als besonders problematisch nennt das das Institut das Spiel „World of Warcraft” (Welt der Kriegskunst). Pfeiffer forderte gemeinsam mit Ross-Luttmann, die Altersfreigabe des Spiels von zwölf auf 18 Jahre heraufzusetzen.