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Die Welt blickt auf Libyen, Syrien, die Elfenbeinküste, den Jemen – die arabischen Revolutionen sind im vollen Gange. Doch was passiert dort, wo alles begann? Wie sieht es in Tunesien aus?
„Chaotisch“, antwortet Alexander Knipperts, Maghreb-Projektleiter der FDP-nahen Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit. „Aber wenn es nicht chaotisch wäre, wäre es keine Revolution“, sagt er. Knapp elf Wochen ist die Revolution her, allmählich beginnen sich Strukturen zu ordnen. Aber noch etwas hat sich seit der Revolution verändert: „Früher herrschte eine bedrückte Stimmung. Heute ist es laut, die Menschen reden, lachen“, so Knipperts.
Ob die Stimmung so bleibt, hängt stark davon ab, ob die Menschen, die während der Revolution auf die Straße gegangen sind, sich auch in der neuen Interimsregierung wiederfinden. Die wird am 24. Juli gewählt, zirka 50 Parteien sind inzwischen zugelassen. „Davon sind wenige schlagkräftig“, sagt Hans-Gert Pöttering, Präsident des Europäischen Parlaments a.D. und Vorsitzender der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. Erst kürzlich traf er vor Ort führende Persönlichkeiten der Übergangsregierung. Dass die Parteienlandschaft sich noch unübersichtlich darstellt, bestätigt auch Alexander Knipperts. „Es gibt Persönlichkeiten, die ihre Bekanntheit ausnutzen, aber keine wirkliche Struktur bieten können“, sagt er. Beruhigend: Radikale Strömungen kann Knipperts bisher nicht erkennen. Eine Partei, die in einem solchen Verdacht stand, hat keine Zulassung erhalten. Was allerdings fehlt, ist laut Knipperts eine organisierte politische Mitte, „weil sie im alten System keine Chance hatte“.
Warum tunesische Oliven?
Ein Problem sieht Pöttering derzeit darin, dafür sorgen, dass in Tunesien wieder der Alltag einkehrt. „Die Menschen müssen nach der Begeisterung für die Demokratie auch wieder ihre Arbeit leisten“, sagt er. Der Westen könnte seinen Beitrag dazu leisten, meint Dagmar Ossenbrink, Geschäftsführerin der Deutsch-Tunesischen Außenhandelskammer. „Macht Urlaub in Tunesien“, appelliert sie an die deutschen Touristen. Doch auch für Unternehmen lohnen sich Investitionen in Tunesien, da das „family business“ nun weggefallen ist. Damit meint sie den korrupten Ben-Ali-Clan, der die Märkte kontrolliert hat. Zum Beispiel war der Clan unter anderem der Hauptimporteur teurer Medikamente. Will jetzt ein Unternehmen in Tunesien Generika herstellen, findet er einen gänzlich freien Markt vor. Zudem seien laut Ossenbrink die Deutschen beliebt. „Es gibt traditionell gute Beziehungen“, sagt sie. Zumal Frankreich bei vielen Tunesiern nicht mehr unbedingt der Wunschpartner für Geschäftsbeziehungen sei.
Zudem fordert Ossenbrink, den Export anzukurbeln. „Warum braucht Deutschland tunesische Oliven?“ Ihre Antwort: „Um Lampedusa zu stoppen!“ Die EU müsse dafür sorgen, dass Agrarprodukte aus Nordafrika leichteren Zugang zum europäischen Markt erhalten. Das dürfte anderen Ländern wie Spanien kaum passen, die ähnliche Produkte wie Oliven oder Orangen exportieren. „Alle reden von Globalisierung und freier Marktwirtschaft - dann müssen sie sich auch dieser Konkurrenz stellen“, sagt Ossenbrink. Pöttering kann nur zustimmen: „Es kann Wettbewerb mit anderen bedeuten“, sagt er, „aber entscheidend ist, dass wir nun etwas Konkretes tun.“ Zudem fordert er von der europäischen Investitionsbank, Gelder zur Verfügung zu stellen. Und: „Es ist notwendig, kleine und mittlere Unternehmen zu fördern.“