Berlin.. Immer mehr Experten schließen sich der Kritik an Verteidigungsminister Guttenberg an. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel gerät zunehmend in die Kritik. Derweil stockt die Bundeswehr stockt ihren Etat für Eigenwerbung massiv auf.
In der Debatte um die Plagiatsvorwürfe gegen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) gerät Bundeskanzlerin Angela Merkel zunehmend in die Kritik. Der ehemalige sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) schloss sich den Vorwürfen von tausenden Doktoranden am Umgang der CDU-Chefin mit den Plagiatsvorwürfen an. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) unterstellte Merkel „Schizophrenie“. Der Bayreuther Rechtswissenschaftler Oliver Lepsius forderte Guttenbergs Rücktritt. Falls Merkel keine Konsequenzen ziehe, werde das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Politik nachhaltig gestört.
Biedenkopf kritisierte Merkels Aussage, sie habe keinen wissenschaftlichen Assistenten eingestellt, sondern einen Minister: „Der Mensch wird gemessen, nicht das Amt. Und der Mensch ist auch nicht teilbar“, sagte Biedenkopf. Der frühere sächsische Regierungschef teilte die Einschätzung des Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU), dass die Plagiatsaffäre weitreichende Folgen habe: „Das ist ein Sargnagel an der Glaubwürdigkeit der politischen Klasse.“
Thierse: Merkel macht einen großen Fehler
Bundestagsvizepräsident Thierse kritisierte Merkel für ihr Festhalten an Guttenberg. „Die Bundeskanzlerin macht einen großen Fehler, wenn sie glaubt, dass Guttenbergs Betrug und sein geistiger Diebstahl nicht das öffentliche Amt des Verteidigungsministers berühren“, sagte der SPD-Politiker. Die Kanzlerin teile Guttenberg in die Privatperson einerseits und den Minister andererseits. „Diese Art von Schizophrenie ist absolut unzulässig.“
Der Wissenschaftsstandort Deutschland nehme schweren Schaden, sagte Thierse. Es sei „ein erstaunlicher Vorgang“, dass Merkel als Regierungschefin dies für irrelevant halte und auch das Aufbegehren Zehntausender Doktoranden und Wissenschaftler ignoriere, sagte Thierse mit Blick auf einen Protestbrief an die Bundeskanzlerin. Den im Internet veröffentlichten Brief haben nach Angaben der Initiatoren bislang mehr als 51.500 Bürger unterschrieben.
Guttenberg-ZitateJura-Professor warnt vor „Flurschaden“
Der Bayreuther Rechtswissenschaftler Lepsius riet Guttenberg zum Rücktritt. Erst dann könne er eine zweite Chance erhalten, die er sich erarbeiten müsse. „Die Wissenschaft kann sich mit diesem Verhalten nicht abfinden“, sagte Lepsius. „Wenn keine Konsequenzen gezogen werden, eben auch von der Kanzlerin, von der Bundesregierung, dann ist das Verhältnis zwischen der Wissenschaft und der Politik nachhaltig gestört“, sagte der Professor und fügte an: „Es entsteht durch diese Affäre ein Flurschaden, der noch ungeahnte Ausmaße haben kann.“
Guttenberg hat beim Abschreiben fremder Texte nach Einschätzung des Vorsitzenden des Berliner Anwaltvereins, Ulrich Schellenberg, sehr wahrscheinlich aus Vorsatz gehandelt. „Wird durch den Verfasser auf eine Verarbeitung der Quellen und auf einen eigenen originären Gedanken verzichtet und stattdessen der Quellentext aus seinem ursprünglichen Kontext nahezu wörtlich in den nun eigenen Text übernommen und dies auch nicht kenntlich gemacht, ist dies ein sehr bewusster Vorgang, der vom Vorsatz umfasst ist“, sagte Schellenberg. „Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die Übertragung der Quelle in den eigenen Text nicht vom Verfasser selber, sondern von einem Dritten durchgeführt worden wäre.“
Auch der Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, Jürgen Mlynek, kritisiert den Umgang mit den Plagiatsvorwürfen. „Die öffentliche Diskussion um Plagiate und deren Verharmlosung machen mich sehr betroffen“, sagte Mlynek und fügte an: „Zur Wissenschaft gehören unteilbar Wahrheit, Aufrichtigkeit und Redlichkeit.“ Die deutsche Wissenschaft habe sich auf Regeln für eine gute wissenschaftliche Praxis verständigt. „Verstöße dagegen wie Plagiate oder Fälschungen führen normalerweise zu Sanktionen.“
Mehr Werbung für Guttenberg-Ministerium
Während die Kritik am Verteidigungsminister nicht nachlässt, stockt die Bundeswehr nach Informationen der „Frankfurter Rundschau“ ihren Etat für Eigenwerbung massiv auf. Allein für Anzeigen in Print- und anderen Medien plane das Verteidigungsministerium für dieses Jahr Ausgaben in Höhe von knapp 5,7 Millionen Euro, schreibt die Zeitung in ihrer Dienstagausgabe unter Hinweis auf die Beantwortung einer Anfrage der Linkspartei an das Ministerium. Ein großer Teil davon fließe an Medien des Axel-Springer-Konzerns wie „Bild“ und „Bild am Sonntag“, die Minister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zuletzt massiv gegen Plagiatsvorwürfe in Schutz nahmen.
Die enge Verbindung von Guttenberg zum Springer-Verlag war Ende vergangener Woche publik geworden. Das Ministerium musste einräumen, dass Anzeigen für die Bundeswehr-Werbekampagne 2011 zunächst nur in „Bild“, „Bild am Sonntag“ und „bild.de“ geschaltet würden. Dafür erhalten die beiden Blätter und ihre Online-Ausgabe in den ersten vier Wochen rund 600.000 Euro, in weiteren Phasen der Kampagne einen noch nicht bezifferten weiteren hohen Betrag.
Die Springer-Medien sind dem Bericht zufolge die einzigen, mit denen die Verantwortlichen des Werbefeldzugs bislang Verträge abgeschlossen haben. (dapd)