Berlin.. Die Verteidigungsfront für den Verteidigungsminister bröckelt. Immer lauter wird die Kritik auch aus eigenen Reihen. Guttenberg selbst aber betont, sein Amt „mit Freuden“ auszufüllen.
So wortkarg ist Karl-Theodor zu Guttenberg selten in eine Arbeitswoche gestartet. Er fülle sein Amt mit „Freuden“ aus, sagte der unter dringendem Raubkopier-Verdacht stehende Verteidigungsminister gestern in München. Und seine Arbeitskraft als Sachwalter der Bundeswehr sei weiter „vollends gegeben“.
Eine Einschätzung, die sich in CDU/CSU-Kreisen kaum jemand mehr wirklich zu eigen macht. Guttenberg ist angeknackst. Und im Unionslager wagen sich immer mehr prominente Kritiker des Schummel-Doktors aus der Deckung und streuen Salz in seine Wunden. Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU), enge Mitstreiterin von Kanzlerin Merkel, gestand nach tagelangem Schweigen per Interview, sie schäme sich „nicht nur heimlich“ über das nach wie vor unerklärte Plagiat im XXL-Format des ehemaligen Dr. Guttenberg. Bundestagspräsident Norbert Lammert bewertete vor SPD-Parlamentariern den Skandal und seine Begleiterscheinungen als „Sargnagel für das Vertrauen in unsere Demokratie“. Ein Zitat, das die CSU-Führung dazu zwang, die Reihen um Guttenberg noch fester zu schließen; wenigstens nach außen.
Die Brandmauer einreißen
Intern sieht man die Sache abgeklärt. Wenn „vom Kopf in den Bauch gesackt ist“, um „welche Dimension des Glaubwürdigkeitsverlustes“ es bei der Plagiatsaffäre gehe, sagte ein CSU-Oberer dieser Zeitung, dann werden „die Bürger die Brandmauer selbst einreißen, die sie für ihren Star im ersten Überschwang hochgezogen haben“. Apropos einreißen: Die Wutwelle aus der wissenschaftlichen Gemeinde hat gestern das Kanzleramt erreicht. Eine Initiative von Doktoranden übergab 25 000 Unterschriften gegen die von Angela Merkel gesellschaftsfähig gemachte Persönlichkeitsspaltung: hier der wissenschaftliche Konrad Kujau-Verschnitt, dort der tatkräftige Bundeswehrreformer. Der Protestbrief findet im Internet stündlich mehr Unterzeichner. Der Nachwuchs sieht in Merkels Pro-Guttenberg-Haltung eine „Verhöhnung aller wissenschaftlichen Hilfskräfte sowie aller Doktorandinnen und Doktoranden, die auf ehrliche Art und Weise versuchen, ihren Teil zum wissenschaftlichen Fortschritt beizutragen“. Die Kanzlerin ließ mitteilen, sie verstehe die Kritik, teile sie aber nicht.
Mehr Bedeutsamkeit
Auch der Bundeswehrverband vergrößert den Abstand zum Skandal-Minister. „Wenn es bei diesen Vorwürfen, die wir jetzt haben, bleibt, dann ist er tragbar“, sagte Verbandschef Kirsch am Montagmorgen. Am Nachmittag dann das. Nach Recherchen des „Tagesspiegel“ soll Guttenbergs Schummelpromotion 2006 nur mit der Sondergenehmigung eines der CSU nahestehenden Professors überhaupt gestattet worden sein. Grund: Sein Staatsexamen sei nur mit „befriedigend“ benotet gewesen, was laut Promotionsordnung nur in Ausnahmefällen den Zugang zur Promotion erlaube. Stellungnahmen von Guttenberg dazu waren nicht zu bekommen.
Selbst Guttenbergs Doktorvater, der Bayreuther Jura-Professor Peter Häberle, ging auf Distanz zu seinem ehemaligen Studenten. Die in der Promotionsschrift entdeckten, ihm „unvorstellbaren Mängel sind schwerwiegend und nicht akzeptabel“, teilte Häberle in einer schriftlichen Erklärung mit, die verschiedenen Medien vorlag. Häberle äußerte darin auch Sorge um den Ruf der Bayreuther Universität.
Am Abend dann stellten in Berlin die FAZ-Redakteure Eckart Lohse und Markus Wehner ihre neue Biografie über Guttenberg vor. Wie ein roter Faden zieht sich durch ihr Werk, dass Guttenberg verschiedene Stationen seines Lebens mit mehr Bedeutsamkeit aufgeladen hat als vielleicht nötig und angemessen gewesen wäre. Dazu zählt auch das erwähnte Jura-Examen. Guttenberg nennt es „Prädikatsexamen“. Befriedigend war ihm nicht genug.