Neu-Isenburg. Der «Pflege-TÜV» kommt: Die rund 22.500 Pflegeheime und ambulanten Pflegedienste in Deutschland müssen ab Mittwoch mit Prüfern des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen rechnen. Einheitliche Noten von eins bis fünf werden verteilt. Kritik gibt es wegen mangelnder Vergleichbarkeit.
Erstmals werden nach einem bundeseinheitlichen Schema Noten von eins bis fünf für die Pflege vergeben. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen stattet den rund 22.500 Pflegeheimen und ambulanten Pflegediensten ab Mittwoch unangekündigte Besuche von Prüfern ab. Der Vorstand des GKV-Spitzenverbandes der Pflegekassen, K.-Dieter Voß, sprach am Dienstag in Neu-Isenburg bei Frankfurt am Main von einem «Riesenschritt in Richtung mehr Transparenz».
Die umfassenden Prüfungen und die anschließende Einstufung analog von Schulnoten oder den von Stiftung Warentest verwendeten Noten schafften zum ersten Mal vergleichbare Ergebnisse aller Pflegeeinrichtungen in Deutschland, betonte Voß. Insgesamt 82 Einzelbewertungen, vier Bereichsnoten und eine Gesamtnote, die alle veröffentlicht werden, sollen bei Heimen dafür sorgen, dass Pflegebedürftige und ihre Angehörigen eine verständliche und unabhängige Hilfestellung bei der Auswahl haben. Für die ambulanten Dienste gibt es insgesamt 49 Einzelbewertungen, eine Gesamtnote und drei Bereichsnoten.
Erster Durchgang bis Ende 2010 - ab dann jährlich
Bis Ende 2010 sollen alle Häuser und Dienste in Deutschland einmal geprüft sein. Schritt für Schritt werden bis dahin die Pflegenoten vergeben. «So viel Transparenz wie jetzt entsteht, gab es in diesem Bereich noch nie. Und die Transparenz wird zu wettbewerblichen Anstrengungen der Pflegeeinrichtungen führen», kommentierte Voß.
«Bundesweit werden Pflegebedürftige und Angehörige davon profitieren, dass jetzt jedes Heim geprüft wird», sagte der Geschäftsführer Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS), Peter Pick. Er erwarte einen «positiven Schub für die Pflegequalität».
Personal verdoppelt
Die Medizinischen Dienste der Krankenkassen müssen nach diesen Angaben bis Ende 2010 die rund 11.000 Pflegeheime und die rund 11.500 ambulanten Pflegedienste einmal überprüft haben. Dazu ist die Zahl der Prüfer bei allen Medizinischen Diensten von 178 Ende 2007 auf 352 zum 1. Juni 2009 nahezu verdoppelt worden, wie Pick weiter erklärte. Ab dem Jahr 2011 sollen die Häuser und ambulanten Dienste dann jedes Jahr einmal überprüft werden. Die Kosten pro Einrichtung und Prüfung liegen laut GKV bei rund 4.500 Euro.
Neben der Gesamtnote, die einen Vergleich des jeweiligen Hauses oder Dienstes auf Landesebene erlauben soll, werden die jeweiligen Teilnoten veröffentlicht. Bei den Heimen decken sie die Bereiche «Pflege und medizinische Versorgung», «Umgang mit demenzkranken Bewohnern», «soziale Betreuung und Alltagsgestaltung» sowie «Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene» ab, bei den Diensten die Bereiche «pflegerische Leistung», «ärztlich verordnete pflegerische Leistung» und «Dienstleistung und Organisation».
Eine zusätzliche Note, die allerdings nicht in die Gesamtnote eingeht, beruht auf der Bewohner- beziehungsweise Kundenbefragung.
Zweifel an Vergleichbarkeit
Experten kritisierten allerdings an dem neuen Prüfverfahren, dass es die von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Personalausstattung der Pflegeheime nicht berücksichtige und insofern nicht vergleichbar sei. «Es gibt keinen einheitlichen Maßstab. Das heißt, dass die Benotung auf unterschiedlichen Grundlagen basiert», monierte der Geschäftsführer der Pflegeheim-Betreibergesellschaft Mission Leben, Frank Kadereit-Hiesserich.
Die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer kritisierte das Konzept scharf: Es sei «eine einzige Kompromisssülze, und nicht das Papier wert, auf dem es steht», sagte die CSU-Politikerin. Dieser Pflege-TÜV verfehle völlig seinen Zweck, helfe schwarzen Schafen, über schlimme Mängel in Heimen hinwegzutäuschen und trage zur Verbraucherverwirrung statt zur Klarheit bei» erklärte sie. (ap)