Bochum. . Die Zahl der Scheidungen in Deutschland geht zurück. 185.800 Scheidungen registrierte das Bundesamt für Statistik im Jahr 2009, 3,2 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Zugleich zeigt sich: Immer mehr ältere Paare trennen sich.

Scheiden tut weh, ganz gleich, wie lange ein „Bund fürs Leben“ gehalten hat. Und: Die Dauer einer Ehe be­sagt nichts über die Qualität des Zusammenlebens. Weshalb sich Gabriela Mattschas-Jarass über die steigende Zahl von Spät-Scheidungen nicht wundert. „Ich erlebe es immer häufiger, dass Paare sich nach der Silberhochzeit – manche auch sehr viel später – trennen, dass sie oder er auch die Scheidung will“, sagt die Bochumer Fachanwältin für Familienrecht. Seit 1995 befasst sie sich intensiv mit Scheidungen, Unterhalts- und Sorgerechtsproblemen.

„Der typische Fall: Die Kinder sind aus dem Haus, gehen eigene Wege. Das ist der Moment, in dem sich in vielen Ehen zeigt: Wir leben zwar zusammen, haben uns aber nicht mehr viel zu sagen.“ Schaffen es die beiden nicht, die neue Situation gemeinsam und mit Freude zu gestalten, kann es bald zum Ende einer Ehe kommen. „Nach meinem Eindruck sind es vor allem die Frauen, die sich aus einer Beziehung lösen, die sie nicht mehr zufriedenstellt“, sagt die Anwältin.

Mehr machen aus der neuen Freiheit

Damit zum Beispiel, dass er nach der Arbeit heimkommt und das gute Essen genießt, um dann vor dem Fernseher zu entspannen. „Viele Frauen wollen sich nicht zufrieden geben mit dieser Art von Ruhestand. Sie stellt oft mehr Ansprüche als er an die Beziehung – will gemeinsam die neue Freiheit genießen, ins Kino oder Theater gehen, will Italienisch lernen oder reisen. Wenn er dabei nicht mitzieht, sondern nur bequem versorgt werden will, kracht es unvermeidlich.“ Oder das Schweigen, das viele Jahre herrschte, endet mit der endgültigen Trennung von Tisch und Bett.

Tatsächlich werden 53 Prozent der Scheidungen in Deutschland von den Frauen beantragt. Kein Wunder, sagt die Anwältin: „Dass mehrheitlich die Frau die Scheidung einreicht, hängt auch damit zusammen, dass sie oft das geringere oder gar kein Einkommen hat.“ Den Frauen und Männern ohne Vermögen zahlt der Staat die Kosten des Scheidungsverfahrens.

Nicht zu verhindern

45 978 Ehen wurden 2009 in NRW ge­schieden, der größte Teil noch vor dem zehnten Hochzeitstag. Mehr als jede zweite Scheidung in NRW (24 641 Fälle) hatte die Frau beantragt.

1207 geschiedene Frauen waren 50 Jahre alt – und 492 davon (41 Prozent) ein Vierteljahrhundert und länger verheiratet. Allerdings: Nur knapp 3000 Ehen wurden gegen den erklärten Willen des Mannes beendet.

Denn eine Scheidung verhindern kann niemand – ein Jahr Trennung reicht dem Gericht als Beweis dafür, dass die Ehe nicht mehr besteht. Lange nicht mehr fragt der Richter nach der Schuld der Beteiligten. Er will nur noch wissen. ob es in den letzten zwölf Mo­naten erneut zum „Vollzug der Ehe“ kam. Falls ja, notiert er das Datum – dann kann das Paar zwölf Monate danach erneut vor Gericht erscheinen.

Die neue Freiheit

Dass Frauen sich allzu leichtfertig trennen von dem Mann, dem sie versprochen haben, Freud’ und Leid’ zu teilen, „bis dass der Tod Euch scheidet“, findet Gabriela Mattschas-Jarass nicht. „Die meisten Frauen machen es sich nicht leicht. Viele haben es über Jahre hingenommen, dass er Liebschaften nebenher hat, dass er sie oder die Kinder kränkt, missachtet, auch misshandelt.“ Zwar gilt seit 2008 das neue Unterhaltsrecht, nach dem die Frau nach der Scheidung nur in Einzelfällen noch Un­terhalt vom Ex-Mann zu er­warten hat. „Aber das schreckt die meisten nicht – sie wissen, dass sie sich einschränken müssen und eine Arbeit su­chen. Aber sie wissen die neue Freiheit zu schätzen.“