Düsseldorf. .
Nach dem Anschlag von Alexandria werden auch Terrordrohungen gegen deutsche Kopten-Gemeinden sehr ernst genommen. „Weihnachten fällt dieses Jahr aus“ klagen schon Kinder in Düsseldorf – ein ägyptischer Konflikt erreicht Deutschland.
Die Bombe von Alexandria sprengte auch ihren Silvester-Gottesdienst. Die Kopten in Düsseldorf wollten „das neue Jahr mit Gott beginnen“, sie saßen nachts zusammen beim Gebet in der St. Maria-Kirche, als die Nachricht kam: In Ägypten hat ein Terroranschlag 21 Menschen getötet.
Und so hatten sie es ja selbst gelesen im Internet. Ihre Feste sollten die orthodoxen Christen „in Trauer feiern“, stand dort, dazu eine Anleitung zum Bombenbauen – und eine Liste der koptischen Gemeinden in Deutschland. Das Bundeskriminalamt hat auch jene in Düsseldorf über Drohungen im Netz informiert. Sie ist nach Frankfurt die größte; 350 Familien betreuen zwei Priester von Düsseldorf aus, Immigranten die meisten, aus Ägypten, Äthiopien, Eritrea, nun in Dortmund, Bonn, Wuppertal und Bielefeld.
Vor zehn Jahren starben 21, letztes Jahr sechs...
Vater Boulos Shehata hat versucht, sie zu trösten, zu beruhigen. „So viele Menschen, so tiefe Trauer“, sagt der 60-Jährige, und doch: Sie hatten einen Anschlag „erwartet“. Das Schlimme am Schock von Alexandria, sagt sein Kollege Abuna Tawadros, sei: „Er ist ja nicht neu.“ Die Kopten hatten schon El-Kosheh in Süd-Ägypten, wo 2000 bei einem Attentat ebenfalls 21 Christen getötet, Geschäfte und Wohnungen verwüstet wurden. Sie hatten Nag Hammadi, unweit von Luxor, wo erst vor einem Jahr sechs Christen im Kugelhagel starben. Auch sie hatten damals gerade einen Gottesdienst verlassen. Die Kopten, sagt Tawadros, seien solche Weihnachts-Attentate fast „schon gewohnt: Einer eröffnet das Feuer. . .“ Nur die Bombenexplosionen seien „ein neues Ding“.
Im vergangenen Jahr, nach den Toten von Nag Hammadi, hat Tawadros mit seiner Gemeinde in Düsseldorf demonstriert. „Wir haben gehofft, dass die Gesellschaft hier mitkriegt, was passiert.“ Denn er ahnt: „Der Hass ist nicht nur im Orient.“ Vor den Feiertagen hat die deutsche Polizei neben dem Bischof in Höxter auch die großen koptischen Kirchen angerufen und vor Terror gewarnt. „Alexandria ist nur ein Stück der Wahrheit, ein Teil dieser Realität ist auch in Deutschland.“
Der Glaube missbraucht – für eine schrecklich Idee
Tawadros, wie Shehata in Ägypten geboren, kennt die lange Geschichte der Kopten, kennt die „sehr tiefe Zerrissenheit“ zwischen den Religionen, die Spannungen. Ein Moslem, glaubt er, lerne schon als Jugendlicher, „dass Christen Ungläubige sind“. Und der Koran bestätige diese Lehre: „Die Moslems glauben, dass das Gottes Wort ist!“ Für „Abuna“ (Vater) Tawadros (49) ist es „eine schreckliche Idee, andere einfach zu beseitigen“, er findet darin „den Glauben missbraucht“.
Noch trauriger aber findet sein Kollege Shehata: „Die Regierung in Kairo unternimmt nichts. Das sind alles nur leere Worte.“ Die Täter vom 6. Januar 2010 sind bis heute frei, und der Priester sieht die Angst bei seinen Mitchristen. „Jeder, der in die Kirche geht, weiß, er könnte nicht zurückkehren.“ Er aber „vertraut auf Gott“. Tawadros hat zum koptischen Weihnachtsfest in der Nacht vom 6. auf den 7. Januar Dienst in Dortmund, „und ich werde hingehen“! Er wird den Familien sagen, wer Angst hat, solle lieber daheim bleiben. Vielleicht hat auch er Angst, er findet das menschlich. Aber „in der Kirche zu sterben, ist besser als im Krankenhaus. Da bin ich näher bei Gott“.
Diesmal entfällt das gemeinsame Mahl
Und auch in Düsseldorf, in dem kleinen Ikonen-geschmückten Gemeindesaal, der einmal eine evangelische Kirche war, wird Vater Boulos Shehata vor dem Weihnachtsbaum beten. „Nur die Liturgie“, sagt er, auf das anschließende gemeinsame Essen werden sie verzichten. Aus Sicherheitsgründen. „Weihnachten“, sagen seine Kinder deshalb, „fällt dieses Jahr aus.“