München. Unter Donald Trump beginnen die USA, ihre eigene Sicherheit von der ihrer Verbündeten zu trennen. Sie ersetzen Stabilität durch Chaos.

Die Europäer sind Kummer gewöhnt. Aber die zu Ende gehende Woche wird in die Geschichtsbücher eingehen. Und zwar als eine, die in einem negativen Sinne wirklich jene Zeitenwende markiert, von der seit Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine vor drei Jahren hierzulande die Rede ist.

Der neue US-Präsident Donald Trump hat in den vergangenen Tagen deutlich gemacht, wie er den Krieg in Europas Osten zu beenden gedenkt: In direkten Verhandlungen mit dem russischen Machthaber Wladimir Putin – wobei unklar ist, welche Rolle die Ukrainer selbst und die Europäer dabei spielen dürfen. Trumps Vize JD Vance wiederum warf den europäischen Verbündeten zum Auftakt der Münchner Sicherheitskonferenz am Freitag förmlich den Fehdehandschuh hin – weil ihr Demokratieverständnis abweicht von dem der neuen Rechtsaußen-Regierung in den USA.

JD Vance hat bizarren Auftritt auf der Münchner Sicherheitskonferenz

Es sieht nicht gut aus für die Europäer: Sie sollen einen Friedensschluss in der Ukraine, an dem sie womöglich selbst nicht beteiligt sein werden, militärisch absichern – ohne Unterstützung der Amerikaner. Ihre Verteidigungsausgaben sollen sie ohnehin massiv erhöhen. Über all dem schwebt die Gefahr, dass Trump in Kürze einen ausgewachsenen Handelskrieg zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union vom Zaun brechen könnte.

Auch interessant

61st Munich Security Conference
Von Daniel Weidmann, Jan Dörner, Madeleine Janssen, Thorsten Knuf und Philipp Luther

Vizepräsident Vance hatte am Freitag sogar noch eine sehr spezielle Botschaft für die deutschen Parteien parat: Sie sollen doch bitteschön nach der Bundestagswahl mit der moskaufreundlichen, in weiten Teilen rechtsextremen AfD zusammenarbeiten. Und die etablierten Kräfte in den anderen europäischen Ländern sollen in vergleichbaren Situationen ähnlich handeln. Das ist eine unmittelbare Einmischung Washingtons in die Innenpolitik europäischer Staaten.

Kommentarfoto Thorsten Knuf
Politik-Korrespondent Thorsten Knuf © Funke Foto Services | Reto Klar

Russlands Überfall auf die Ukraine 2022 war das Ende der europäischen Friedensordnung, wie sie seit dem Zerfall des Ostblocks bestand. Die zweite Trump-Präsidentschaft markiert das Ende der transatlantischen Partnerschaft, wie wir sie kennen. Spätestens seit dieser Woche ist klar: Die USA denken ihre eigene Sicherheit und die ihrer Verbündeten nicht mehr zusammen. Und sie stellen jetzt sogar – siehe den bizarren Auftritt von JD Vance in München – die gemeinsamen Werte infrage, die Europa und Amerika bisher verbanden: Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Jedenfalls verstehen sie diese Werte ganz anders als die Europäer.

Donald Trump und seine Leute wollen einen einzigen, großen Deal zu ihren Gunsten

Auf die kommen jetzt gewaltige Herausforderungen zu. Es geht um Krieg und Frieden in Europa. Darum nämlich, ob die die Staaten des alten Kontinents künftig in der Lage sein werden, weitgehend allein dem Expansionsdrang Russlands mit glaubwürdiger Abschreckung Grenzen zu setzen. Dass die Europäer viel mehr für ihre eigene Sicherheit tun müssen und die USA nicht auf Dauer die größte Last tragen werden, ist spätestens seit der Präsidentschaft Barack Obamas in den USA klar. Im Angesicht des Ukraine-Krieges ist bei den europäischen Nato-Partnern auch schon viel geschehen.

Jetzt aber sieht es so aus, als müsste in kürzester Zeit die Aufgaben- und Rollenverteilung in den transatlantischen Beziehungen ganz neu ausgehandelt werden. Und zwar in allen Facetten und mit Leuten, von denen man noch nicht einmal weiß, ob sie überhaupt noch im selben Team spielen.

199182_1325_199182_cover.jpg

#9 Lars Klingbeil über seinen Soldatenvater und das Sterben im Krieg

Meine schwerste Entscheidung

Sicherheit, Ukraine, Zölle, Energie, Handel: Donald Trump und seine Leute wollen einen einzigen, großen Deal zu ihren Gunsten. Als „disruptiv“ wird die Politik der Trump-Regierung häufig beschrieben. Das klingt verwegen und couragiert. Die Wahrheit ist: Größer könnten das Chaos und die Gefahren kaum sein.