Düsseldorf. Trotz der jüngsten Künstler-Proteste gegen den Rechtsruck hält NRW an der Einladungspraxis für den Berlinale-Empfang fest. Der Grund.
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat trotz der jüngsten Protestwelle gegen einen Rechtsruck in Deutschland eine Reihe von AfD-Politikern zum großen „Berlinale-Empfang“ des Landes am Sonntag anlässlich des internationalen Filmfestivals in Berlin eingeladen.
„Unter den Geladenen sind wie üblich die Vorsitzenden der Fraktionen im Landtag sowie die Mitglieder der zuständigen Ausschüsse im Landtag (Hauptausschuss sowie Ausschuss für Kultur und Medien), außerdem alle Mitglieder des Bundestages aus Nordrhein-Westfalen sowie die Vorsitzenden aller Fraktionen des Deutschen Bundestags“, erklärte eine Sprecherin der NRW-Landesvertretung auf Anfrage.
Berlinale-Empfang: Einladungspraxis im Sinne der Gleichbehandlung
Die Einladungspraxis umfasse „im Sinne der Gleichbehandlung gewählter Abgeordneter Mitglieder aller in den beiden Parlamenten vertretenen Parteien“. Die Landesregierung sei der Auffassung, dass dies dem Respekt vor den Parlamenten und ihren gewählten Abgeordneten entspreche, so die Sprecherin weiter.
Der NRW-Empfang in der Landesvertretung sorgt seit über 20 Jahren verlässlich für einen großen Prominenten-Auflauf. Da die Filmstiftung NRW zu den wichtigen Förderern verschiedener Produktionen gehört, fühlen sich viele Stars verpflichtet, dem Ministerpräsidenten auf dem roten Teppich die Ehre zu erweisen. Entsprechende Fotos werden von der Staatskanzlei mit wachsendem Aufwand zu Werbezwecken in den sozialen Medien verbreitet.
Nachdem Wüsts CDU zuletzt im Bundestag einen Antrag auf Zurückweisung von Asylsuchenden mit den Stimmen der AfD durchgesetzt hatte, steht der Umgang mit den Rechtpopulisten in diesmal unter besonderer Beobachtung. Nach der gemeinsamen Abstimmung hatten sich Hunderte Prominente in einer Erklärung zu Wort gemeldet und den „Pakt mit der AfD“ als „historischen Tabubruch“ kritisiert.
Berlinale-Empfang des Landes maßgeblich aus Steuermitteln finanziert
Da der „Berlinale-Empfang“ des Landes jedoch aus Steuermitteln finanziert wird, kann Wüst die in den Parlamenten vertretene AfD nicht ohne Weiteres ausladen. Im vergangenen Jahr wurde bereits der Widerspruch moniert, dass der Ministerpräsident eine Partei zu seiner Berlinale-Party einlade, die er öffentlich als „Nazi-Partei“ bezeichnet.
Diesmal scheint das Filmfestival insgesamt noch stärker im Zeichen der Proteste gegen den Rechtsruck zu stehen. Klimaaktivistin Luisa Neubauer trat bei der Eröffnung der Berlinale mit einem provokanten Kleid gegen Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz auf. Auf der Vorderseite war zu lesen: „Donald & Alice & Elon & Friedrich?“ Damit stellte Neubauer einen Bezug zwischen dem CDU-Vorsitzenden und US-Präsident Donald Trump, AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel und Tech-Milliardär Elon Musk her.
Opposition im Landtag übt deutliche Kritik an Wüsts Einladungsliste
2024 hatte die damalige Festivalleitung demonstrativ eine Ausladung von fünf AfD-Politikern ausgesprochen. Wie es diesmal gehandhabt wurde, blieb offen. Die neue Leiterin Tricia Tuttle aus den USA hatte im Vorfeld eine öffentliche Debatte über die Einladungspraxis abgelehnt. „Letztes Jahr wurde das erste Mal öffentlich über unserer Gästeliste gesprochen. Dabei hat es eigentlich Tradition, dass diese Liste nicht kommuniziert wird“, sagte sie der „Süddeutschen Zeitung“.
Der SPD-Landtagsabgeordnete Serdar Yüksel übte am Freitag deutliche Kritik daran, dass auf der Einladungsliste des NRW-Empfangs erneut AfD-Vertreter zu finden sind. „Offen, pluralistisch, den respektvollen Dialog suchend: Die Berlinale will 2025 Fehler der Vergangenheit korrigieren und hat sich noch einmal mit ihrem Wertekanon beschäftigt. Der Ministerpräsident scheint das nicht zu tun und lädt wieder blind auf dem rechten Auge auch die Feinde unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung ein“, sagte Yüksel unserer Redaktion. AfD-Vertreter einmal mehr einzuladen, sei unnötig, unanständig und grenze im Zusammenhang mit den kulturellen Vorstellungen der Partei „an einen Verlust des Bezuges zur Realität“, so Yüksel weiter.