Berlin. Die Debatte um Merz und die AfD hat gezeigt, dass es auch am Ende einer Woche mit Dammbruch gute Aussichten für die Demokratie gibt.
Die vergangene Woche hatte viele Tiefpunkte. Beleidigungen im Parlament, Vorwürfe, stundenlange Unterbrechungen der Sitzungen, teilweise Lügen und Hetze. Es war heftig. So sehr, dass Friedrich Merz mit Schweiß benetzt am Abend vor die Presse trat. Der tiefste Punkt: Seine Inkaufnahme einer Mehrheit im Bundestag mit den Stimmen der extremen Rechten – das erste Mal in der bundesdeutschen Geschichte. Und das für einen folgenlosen Antrag im Plenum.
Das war die eine Seite. Die andere Seite dieser Woche waren engagierte Debatten, Wortgefechte vor den Mikrofonen, Leidenschaft am Rednerpult, stundenlanges Verhandeln. Vor allem aber endete diese historische Woche mit Zehnttausenden auf der Straße, vor den Parteizentralen der CDU. Sie hielten Transparente in der Hand, die skandierten Parolen. Die Menschen zeigten Friedrich Merz, dass sie mit seiner Politik nicht einverstanden sind. Die Wähler mischen sich ein in diesen Wahlkampf. Die einen für, die anderen gegen Merz. Die Bürger wachen aus ihrem Winterschlaf auf. Endlich.
![Es kommentiert Politikredakteur Christian Unger Christian Unger](https://img.sparknews.funkemedien.de/405826646/405826646_1709659328_v16_9_1200.jpeg)
Wir leben in einer Gesellschaft, in der es für alles Dienstleistungen gibt. Kindergeburtstage machen Event-Agenturen, man kann sich einen Kellner nach Hause bestellen. Es gibt Nachhilfe-Coaches, wenn Papa mal nicht bei Mathe-Hausaufgaben helfen kann. Pflegedienste kümmern sich um unsere alt gewordenen Eltern. Wir lagern aus. Diese Mentalität führt dazu, dass wir auch Politik als Service sehen – Lösungen für jede Krise sollen uns schnell präsentiert werden, ressourcenschonend, termingerecht, kostengünstig. So wie die Event-Agentur eben.
Doch Politik in Zeiten von Polykrisen – Klimawandel, Krieg, Wirtschaftskrise – kann diesen Anspruch nicht erfüllen. Die vergangene Woche im Parlament war von allen Parteien auch Ausdruck einer Überforderung. Krisenbewältigung ist komplex, braucht Zeit, kostet. Bedeutet Verlust. Auch für uns. Wer das nicht akzeptiert, wird schnell enttäuscht – und macht es sich mit einer Stimme für die Radikalen einfach.
![Zahlreiche Menschen nehmen an der Kundgebung des Bündnisses „München ist bunt!“ unter dem Motto „Sei die Brandmauer!“ vor der CSU-Parteizentrale teil. Demonstration zur Migrationspolitik · München](https://img.sparknews.funkemedien.de/408199877/408199877_1738269402_v16_9_1200.jpeg)
Vor allem aber wird deutlich: Die Wählerschaft muss selbst aktiv werden – den politischen Kurs mitbestimmen. Denn es steht viel auf dem Spiel. Die etlichen Eintritte in Parteien in den vergangenen Wochen sind ein starkes Signal. Petitionen sind ein wichtiges Werkzeug, genauso wie Briefe an den örtlichen Bundestagsabgeordneten. Nur durch Engagement der Demokraten lässt sich verhindern, dass der politische Rand sagen kann: Wir sind das Volk. Das Wochenende, mit den Dutzenden Großdemonstrationen, hat gezeigt: die AfD hat keine Mehrheit.
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