Davos. In Davos beginnt das Weltwirtschaftsforum. Ein Bericht zeigt: Vermögen sind ungleicher verteilt. Die Entwicklungsministerin will einschreiten.

Dieser Protest ist kein Spaziergang. Über 800 Meter Höhenunterschied kraxeln einige hundert Leute durch verschneite Wälder, um am Sonntag das Schweizer Bergstädtchen Davos zu erreichen. Auf ihrer Kundgebung kritisieren sie dort das Weltwirtschaftsforum, welches am Montag beginnt: „Gewinne werden nicht investiert, um Arbeitsplätze oder Infrastruktur zu fördern, sondern um Dividenden zu zahlen oder Aktien zurückzukaufen“, heißt es von den Protestierenden. Die Kritikerinnen und Kritiker haben sich vor Schweizer Gerichten das Recht erstritten, gut sichtbar auf großen Straßen nach Davos zu demonstrieren. In den vergangenen Jahren hatten die Behörden den Protest auf abgelegene Wege verbannt. Sie wollen das jährliche Treffen der Politik- und Wirtschaftsspitzen abschaffen.

Das Weltwirtschaftsforum (WEF) mit Sitz in Genf ist eine Lobbyorganisation der größten, weltweit agierenden Unternehmen, das sich als Runder Tisch zwischen Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft versteht und jedes Jahr im Januar den gleichnamigen Kongress in Davos organisiert. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hält dort am Dienstag eine Rede, US-Präsident Donald Trump am Donnerstag.

Vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos
Demonstranten protestierten am Wochenende gegen das World Economic Forum (WEF). © DPA Images | Anthony Anex

Weltwirtschaftsforum in Davos: Neuer Bericht – 130 Milliardäre in Deutschland

Viele Entwicklungsorganisationen nehmen das Weltwirtschaftsforum traditionell zum Anlass, um aktuelle Studien zu präsentieren. So auch die Entwicklungsorganisation Oxfam, die am Montag einen neuen Bericht zu Fragen von Gerechtigkeit und Verteilung vorstellen wird. Oxfam beklagt in seinem diesjährigen Bericht, dass 2024 jede Woche durchschnittlich vier neue Milliardäre weltweit hinzugekommen seien – was die Konzentration von Reichtum in den Händen weniger zeige.

Weltweit besäßen mittlerweile rund 2.800 Personen Milliarden-Vermögen, davon 130 in Deutschland. Das reichste eine Prozent der Bevölkerung hält hierzulande mehr als ein Drittel aller privaten Vermögen, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung schon vor Jahren mitteilte.

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Oxfam: 733 Millionen Menschen leiden weltweit unter Hunger

Demgegenüber ist die Zahl der extrem armen Menschen, die weltweit Hunger leiden, im vergangenen Jahr nach Oxfam-Angaben auf 733 Millionen gestiegen. „Der Vermögenszuwachs der Superreichen ist grenzenlos, während es bei der Bekämpfung der Armut kaum Fortschritte gibt und Deutschland die Unterstützung einkommensschwacher Länder sogar kürzt“, sagte Serap Altinisik, die Vorstandsvorsitzende von Oxfam Deutschland.

Kleines Mädchen auf Esel, Peul-Nomaden in der Sahelzone von Niger
Ein kleines Mädchen auf einem Esel in der Sahelzone des Niger. 733 Millionen weltweit leben in extremer Armut. © picture alliance / imageBROKER | Michael Runkel

Zur Abhilfe fordert Oxfam, auf internationaler und nationaler Ebene neue Abgaben für sehr reiche Privatleute einzuführen – konkret eine Vermögenssteuer in Höhe von zwei Prozent. Eine entsprechende Diskussion läuft bei den Vereinten Nationen, angeregt durch die Regierung Brasiliens. Auch Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze zeigt sich dafür offen: „Die Ultrareichen müssen mit einer Milliardärssteuer mehr zum Wohle der Gesellschaft beitragen: durch Investitionen in die Bildung unserer Kinder, in den Klimaschutz oder eine gute medizinische Versorgung“, sagte die SPD-Politikerin dieser Redaktion.

„Die Vermögen einiger weniger Männer nehmen immer extremere Ausmaße an“, kritisierte Schulze. Während rund ein Drittel der Menschen in Armut verharre, würden die reichsten Milliardäre täglich im Schnitt um 100 Millionen US-Dollar reicher. „Das ist nicht nur zutiefst ungerecht, es belässt auch zu viel Geld in den Händen weniger, anstatt es in eine nachhaltige Entwicklung für alle zu investieren“, sagte Schulze. Prozentual gesehen würden die meisten Milliardäre derzeit weniger Steuern als eine Ärztin oder eine Reinigungskraft zahlen. „Schon mit sehr kleinen Steuersätzen auf die Vermögen Ultrareicher könnte man viele Probleme lösen“, führte die Entwicklungsministerin aus. Sie unterstütze Südafrika, das seit Dezember die G20-Präsidentschaft innehat, dabei, eine globale Mindeststeuer für Milliardäre auf den Weg zu bringen.

Bundesministerin - Svenja Schulze
Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD). © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Britta Pedersen

Donald Trump wird per Videoschalte dabei sein

Mit Kritik prescht auch die Organisation LobbyControl zum Start des Weltwirtschaftsforums vor: Die großen Tech-Konzerne Alphabet (Google), Apple, Amazon, Meta und Microsoft seien sogenannte Partner des WEFs, würden den Kurs des Forums mitbestimmen. Die Organisation legt nahe, dass die Unternehmen damit ihre jeweilige marktbeherrschende Stellung und die entsprechenden Profite absichern sowie Konkurrenten klein halten und den Wettbewerb behindern.

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Wie jedes Jahr werden auch diesmal rund 3.000 Managerinnen und Manager sowie Dutzend Regierungschefs erwartet. Donald Trump, der bei seinem letzten Besuch im Jahr 2018 den Ort noch in Atem hielt, als er seinen eigenen Hubschrauber, einen Tross von 2000 Leuten und jede Menge gepanzerte Limousinen mitbrachte, wird dieses Mal nur per Videoschalte teilnehmen. Dabei hasst der designierte US-Präsident Davos eigentlich, steht der Kongress doch für Globalisierung und so im Gegensatz zu seinem „America-First-Denken“. Weil Trump viele Unternehmen auf seine Linie gebracht hat – darunter auch mit Mark Zuckerbergs Meta einen prominenten WEF-Partner – dürfte sich auch der Kongress tiefgreifend verändern.

Bisher lautet das Motto: „Verpflichtet, den Zustand der Welt zu verbessern“. Es verbreitet die Botschaft, dass es eine für alle gute Globalisierung geben könne. Während die Machtblöcke nicht mehr zusammen-, sondern auseinanderrücken und die Globalisierung sich mindestens stark verändert, wird das WEF sein Motto der Weltverbesserung beibehalten. Gesprächsbedarf gibt es immer, vielleicht sogar mehr. Trotzdem könnten auch in Davos künftig eher egoistische als kooperative Lösungen auf der Tagesordnung stehen.