Düsseldorf. Meister Leverkusen ist ein sportliches Aushängeschild in NRW. Dennoch wird die Suche nach einem neuen Trainingsgelände zum Politikum.
Wenn Bayer Leverkusen an diesem Samstagabend Borussia Mönchengladbach zum rheinischen Bundesliga-Derby in der „Bayarena“ empfängt, wird das Star-Ensemble von Xabi Alonso vermutlich wieder „auf engstem Raum spielerische Lösungen finden“, wie es gern im Sportreporter-Deutsch heißt.
Schwerer tut sich der Deutsche Fußballmeister hingegen auf großem Raum. Schon länger versuchen die Leverkusener vergeblich, ausreichend Platz für den Bau eines neuen Trainingszentrums zu finden. Mittlerweile beschäftigt die Standortsuche sogar die Spitze der schwarz-grünen Landesregierung. Ausgang ungewiss.
„Milde ausgedrückt: In Deutschland bauen zu wollen, ist eine Herausforderung, die sehr viel Zeit in Anspruch nimmt, die sehr viel Konsens- und Kompromissfähigkeit erfordert, die akribische Vorarbeit und gefühlt etliche Studien notwendig macht“, sagte Bayers Fußballboss Fernando Carro vor Weihnachten dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Man arbeite „seit beinahe zehn Jahren an diesem Thema“.
Bund will A1 und A3 neben dem Stadion ausbauen
Die Bundesautobahngesellschaft plant in unmittelbarer Nachbarschaft der „Bayarena“ den Ausbau der A1 und der A3. Die neuen Trassen entstehen entlang der A1 zwischen den Autobahnkreuzen Leverkusen-West und Leverkusen sowie entlang der A3 zwischen den Anschlussstellen Leverkusen-Zentrum und Leverkusen-Opladen.
Genau in diesem Bereich liegt das historisch gewachsene Trainings- und Leistungszentrum, in dem Alonso seine Millionen-Truppe werktags in Schwung hält und kostbare neue Bayer-Nachwuchskräfte ausgebildet werden. Ein Großteil der Flächen neben dem Stadion wird absehbar nicht mehr zur Verfügung stehen.
Für den Autobahnausbau sei noch eine Entwurfsplanung fällig, auf deren Basis das Planfeststellungsverfahren durchgeführt werde und danach sei erst die Ausführungsplanung erforderlich, bremst ein Sprecher der „Autobahn GmbH Rheinland“ auf Anfrage. Er terminiert den Start der Bauarbeiten „nach aktuellem Stand ab 2031“.
Bayer hat schon 70 Standorte in die Prüfung genommen
Den Fußball-Bundesligisten beruhigt das aber offenbar nicht. „Der Verein hat in enger Abstimmung mit den Bezirksregierungen Köln und Düsseldorf 70 potenzielle Standorte in den Städten Leverkusen, Köln, Langenfeld, Monheim, Leichlingen und Burscheid umfassend und teilweise mehrfach geprüft“, erklärt ein Bayer-Sprecher.
Die entscheidende Voraussetzung für die Fläche sei neben der Größe und der Lage im weiteren Umfeld der Bayarena „die Sicherheit, das Projekt bis zum Beginn des Autobahnausbaus umsetzen zu können“. Anders als beim Konkurrenten aus Mönchengladbach, der ein riesiges Gelände rund um den „Borussia-Park“ auf dem ehemaligen Gelände der britischen Rheinarmee nach Belieben entwickeln konnte, muss Bayer wohl in eine andere Stadt ausweichen.
Zuletzt gab es wieder einen Rückschlag. Der Verein hatte zwischen Langenfeld und Monheim ein Areal von 22 Hektar Größe ausgeguckt. Dort sollten 13 Fußballplätze entstehen, ein Nachwuchsinternat, Umkleiden, Kraftraum, Parkhaus und alles, was der moderne Spitzensport inzwischen so benötigt. Trotz aller sportlichen Erfolge und des Star-Appeals, der plötzlich in der rheinischen Provinz Einzug gehalten hätte, regte sich lokal umgehend Widerstand. Das Trainingsgelände rücke zu nah an einen Trinkwasserbrunnen heran, hieß es.
Für die Landesregierung, die sich gern mit dem Titel „Sportland NRW“ brüstet und deren Vertreter sich häufiger in den VIP-Logen der Spitzenclubs tummeln, wird Bayers Grundstück-Odyssee allmählich peinlich. Während in der Düsseldorfer Staatskanzlei unverdrossen der wenig realistische Traum von der Ausrichtung Olympischer Spiele geträumt wird, scheint es nicht einmal möglich zu sein, ein real existierendes Aushängeschild des NRW-Sports auf eigene Kosten eine Trainingsstätte bauen zu lassen.
Minister schalten sich in Trainingsplatz-Suche ein
Im November schalteten sich schließlich Vize-Ministerpräsidentin Mona Neubaur und Umweltminister Oliver Krischer (beide Grüne) persönlich ein. In einem Brief an die Stadtspitze in Langenfeld, der unserer Redaktion vorliegt, warben die beiden Kabinettsmitglieder um einen Interessenausgleich.
Die Gefährdungseinschätzung für die lokale Trinkwasserversorgung durch das geplante Trainingszentrum werde von den Experten ihrer Ministerialbürokratie „grundsätzlich als nachvollziehbar angesehen“. Gleichzeitige bitte man um Verständnis für die andere Seite. „Als erfolgreicher Sportverein hat Bayer 04 Leverkusen auch für unsere Region eine besondere Bedeutung, und die Notwendigkeit, einen Standort für den Verein bereitzustellen, erkennen wir an“, schrieben Neubaur und Krischer.
Die Intervention ist wohl vergeblich. Für die Fläche am Laacher Hof nahe Monheim bestünden „durchgreifende wasserrechtliche Bedenken der zuständigen Wasserbehörden“, erklärt eine Sprecherin der zuständigen Bezirksregierung Düsseldorf auf Anfrage. Nach wie vor seien aber verschiedene Flächen im Gespräch und würden auf ihre Realisierungsmöglichkeit geprüft.
Wer sich ein wenig mit dem Millionengeschäft Bundesliga befasst, erkennt schnell, dass es nicht bloß um eine schnöde Infrastrukturfrage geht. Die Ausbildung und Förderung von Nachwuchskickern gehört zu den zentralen Elementen der Wertschöpfung in diesem Business. Bayer-Boss Carro hat deshalb unlängst klargestellt: „Das ist für die Zukunft des Vereins eins der wichtigsten Projekte. Es wird die Wettbewerbsfähigkeit auf viele Jahre hinweg sicherstellen und Entwicklungsmöglichkeiten auf allen Ebenen verbessern.“
Oder eben auch nicht.