Düsseldorf. Ein neues Gutachten weckt weitere Zweifel am Vorgehen des Justizministeriums in der NRW-Richteraffäre. Wurden Top-Noten durchgewunken?

Im Streit um die rechtswidrige Besetzung des Präsidentenamtes beim Oberverwaltungsgericht (OVG) mit einer Duz-Bekanntschaft von NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) hat die Landtagsopposition die vollständige Neuausschreibung der Stelle gefordert.

„Rechtsstaatlichkeit und Fairness dürfen in Nordrhein-Westfalen nicht weiter auf der Strecke bleiben“, erklärte FDP-Rechtspolitiker Werner Pfeil und verwies auf ein weiteres Gutachten des Dienstrechtsexperten Jürgen Lorse.

In der neuen 22-seitigen Analyse, die Pfeil und SPD-Rechtspolitikerin Nadja Lüders bei ihm in Auftrag gegeben haben, kommt Lorse zum Ergebnis, dass das Justizministerium auch schwere Fehler im Umgang mit Spitzennoten für die Limbach-Vertraute begangen hat. Die Juristin ist als Abteilungsleiterin für Digitales im Innenministerium tätig und hatte den Zuschlag erhalten, obwohl sie seit Jahren nicht mehr in der Justiz tätig ist und nur wenige Jahre in einem Richteramt vorweisen kann. Es gibt Hinweise auf eine unzulässige Einflussnahme des Justizministers.

Richteraffäre: Top-Noten aus dem Innenministerium durften angeblich nicht geprüft werden

Laut Lorse hätte eine fehlerhafte Top-Beurteilung aus dem Innenministerium, die am Ende im Richterauswahlverfahren den Ausschlag gegeben hatte, von Limbachs Beamten nicht ungeprüft übernommen werden dürfen. Aussagen der zuständigen Stellen des Justizministeriums gegenüber dem Untersuchungsausschuss des Landtags, man habe die zugelieferten Noten für Limbachs Bekannte gar nicht hinterfragen „dürfen“, seien eindeutig falsch.

Da es sich um unterschiedliche Staatsgewalten handelt, werden höchstrichterliche Stellen in NRW nach einem komplizierten Verfahren besetzt: Die Fachabteilung des Justizministeriums erarbeitet unabhängig und streng nach Bestenauslese einen Personalvorschlag, der dann vom Justizminister ins Landeskabinett eingebracht wird.

Das OVG in NRW ist inzwischen seit fast vier Jahren führungslos, vier Gerichte mussten sich bereits mit dem Fall beschäftigen. Das Auswahlverfahren für eines der wichtigsten Richterämter in NRW sei „dilettantisch, grobfahrlässig und rechtswidrig in den Sand gesetzt“ worden, kritisierte Lüders. Sie forderte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) auf, das „Trauerspiel“ zu beenden und ein komplett neues Auswahlverfahren in neue Hände zu geben.

Gutachter Lorse hatte in einem ersten Gutachten bereits nachgewiesen, dass die Top-Noten für die Limbach-Favoritin rechtswidrig zustande gekommen waren. Daraufhin musste das Verfahren gestoppt werden. Limbach will aber lediglich von den Bewerbern neue Dienstbeurteilungen einholen und seinen Besetzungsvorschlag dem Landeskabinett neu zustellen. Einen Rücktritt lehnt er weiter ab.