Düsseldorf. Die Umbaukosten der NRW-Staatskanzlei laufen seit Jahren aus dem Ruder, nun gab es eine Razzia. Wurde beim Konzept in Millionenhöhe betrogen?
Mutmaßliche Korruption bei der Sanierung der Staatskanzlei von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat am Dienstag zu mehreren Razzien in NRW geführt. Das Landeskriminalamt geht zusammen mit der Staatsanwaltschaft Wuppertal dem Verdacht nach, dass sich mehrere Beschuldigte auf Seiten von Auftraggeber und Auftragnehmer bereichert haben könnten. Konkret lauten die Tatvorwürfe: Verdachts der Bestechung und Bestechlichkeit, der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen, der Untreue sowie des Betruges.
Seit Dienstagmorgen um sechs Uhr waren 44 Durchsuchungsbeschlüsse in Düsseldorf, Neuss, Mönchengladbach, Erkrath, Wegberg und Münster vollstreckt worden. Polizei und Justiz waren mit fast 200 Kräften im Einsatz. Beim LKA wurde eine eigene Ermittlungskommission gegründet, die dem Verdacht auf Unregelmäßigkeiten nachgeht. Die seit Jahren völlig aus dem Ruder gelaufenen Kosten beim Umbau des historischen Landeshauses direkt am Düsseldorfer Rheinufer haben schon länger die Frage aufgeworfen, ob alles mit rechten Dingen zugeht.
Sanierung der NRW-Staatskanzlei: Mutmaßlicher Schaden über mehrere Millionen Euro
Konkret gehen die Ermittler dem Verdacht nach, dass die Beschuldigten gezielt Einfluss auf Auftragsvergaben im Bereich der Beleuchtung der Staatskanzlei genommen haben könnten. Möglicherweise wurden Bieterfirmen beauftragt, die mit überhöhten Nachtragsrechnungen den Landesbetrieb BLB schädigten, um gemeinsam Kasse zu machen. Wie das LKA am Dienstagnachmittag bestätigte, hatte die Anzeige eines Zeugen und Prüfungen der Innenrevision des Bau- und Liegenschaftsbetriebes NRW (BLB) Auffälligkeiten ergeben. „Schnell erhärtete sich der Verdacht auf korruptes und betrügerisches Handeln bei der Vergabe eines der Gewerke“, so das LKA. .
Der entstandene Schaden soll sich auf mehrere Millionen Euro belaufen. Als Beschuldigte werden fünf Männer und zwei Frauen geführt. Es geht offenbar um Mitarbeiter des beteiligten Architekturbüros, verschiedener Bieterfirmen und des BLB selbst. Eine Sprecherin von Wüsts Staatskanzlei betonte auf Anfrage: „Weder richten sich aktuell Tatvorwürfe gegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Staatskanzlei, noch hat es Durchsuchungsmaßnahmen in der Staatskanzlei gegeben, die Mieter der betroffenen Liegenschaft ist.“
SPD fordert Aufklärung
SPD-Landtagsfraktionsvize Elisabeth Müller-Witt forderte von Wüst und Staatskanzleichef Nathanael Liminski (CDU) umgehend Transparenz ein: „Die Luxussanierung der NRW-Staatskanzlei von Ministerpräsident Hendrik Wüst kostet die Bürgerinnen und Bürger bereits mehr als 50 Millionen Euro – ein Fass ohne Boden.“
Und weiter: „Immer wieder haben unsere Nachfragen in den vergangenen Jahren ans Tageslicht gebracht, dass die Kosten immer weiter in die Höhe geschnellt sind.“ Die Regierungszentrale habe bis heute keinen vollständigen Überblick gegeben, wie hoch die Sanierungsausgaben tatsächlich veranschlagt werden müssen.
„Das mögliche Ausmaß dieses Skandals gefährdet die Integrität staatlicher Institutionen. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht auf eine lückenlose Aufklärung der Vorwürfe“, erklärte derweil Henning Höne, Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion. Er sehe die Landesregierung in der Verantwortung, ihrer Kontrollfunktion über den landeseigenen Baubetrieb BLB gerecht zu werden. „Dass ausgerechnet bei der Sanierung der Staatskanzlei Millionenbeträge veruntreut worden sein könnten, wirft ein kritisches Licht auf Management und politische Aufsicht“, so Höne.
Sondersitzung im Landtag noch in dieser Woche
Die Korruptionsermittlungen sollen noch diese Woche Thema im Landtag werden. Die SPD hat eine gemeinsame Sondersitzung mehrerer Ausschüsse beantragt, in der die Regierung Auskunft geben soll.
Laut dem Antrag, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, sollen sich die Mitglieder des Hauptausschusses, des Haushaltsausschusses und des Unterausschusses für Landesbetriebe diesen Freitag treffen. Begründung: Die „Brisanz der aktuellen Vorwürfe - die nunmehr die Schwelle strafbaren Unrechts zu überschreiten scheinen“.
Im Hauptausschuss war die Staatskanzlei-Sanierung in der Vergangenheit immer wieder Thema: „Hierbei ist stets aufgefallen, dass die Landesregierung nicht transparent darzustellen vermochte, welche Kosten tatsächlich angefallen waren und noch in Aussicht standen“, so die SPD in ihrem aktuellen Antrag. Die Opposition will in der Sondersitzung „die bisherigen Erkenntnisse der Landesregierung“ zu den Ermittlungen erfahren.
Modernisierungspläne „nicht mit Marmor“
Als die Staatskanzlei im November 2018 die Modernisierung des „Landeshauses“ in Düsseldorfer 1a-Rheinlage ankündigte, wurde „eine solide Staatsrepräsentanz“ annonciert. Man baue „mit Stahl und Beton, nicht mit Marmor“. Man wolle ja nicht protzen. Über die veranschlagten Kosten wurden damals noch keine Angaben gemacht. Mit der Renovierung des altehrwürdigen Gemäuers direkt an der Rheinufer-Promenade wurde der Düsseldorfer Star-Architekt Karl-Heinz Petzinka betraut.
Erklärt: Staatskanzlei in NRW
Die Staatskanzlei in NRW ist die Behörde von Ministerpräsident Hendrik Wüst. Die Mitarbeiter der Staatskanzlei helfen ihm bei der Ausübung seiner Amtsgeschäfte. Die Staatskanzlei steht im Kontakt mit den verschiedenen NRW-Ministerien. Dort laufen also die Fäden der Regierungs- und Verwaltungsarbeit zusammen.
Quelle: land.nrw
Die Ertüchtigung des Verwaltungsgebäudes von 1911 war notwendig geworden, weil der damals neue Ministerpräsident Armin Laschet entschieden hatte, mit seinen 300 Mitarbeitern aus der bisherigen Staatskanzlei in angemieteten Büroräumen des modernen gläsernen „Stadttores“ zurück in jenes historische „Landeshaus“ zu ziehen, in dem Jahrzehnte zuvor schon Beamte unter Johannes Rau gearbeitet hatten. Der Komplex diente zwischen 1911 und 1945 als Zentralverwaltung des Rheinischen Provinzialverbandes und zwischen 1961 und 1999 schon einmal als Teil der Regierungszentrale.
NRW-Staatskanzlei: Kosten immer weiter gestiegen
Wer seinerzeit die anspruchsvollen Umbaupläne mit neuen Eingangsportalen, einem zimmergroßen Panoramaaufzug und dem modernen „Newsroom“ für amtliche Regierungsherrlichkeit sah, ahnte, dass es nicht bei einem frischen Anstrich bleiben würde.
Laschets Amtsnachfolger Wüst musste sich seither mit einer Baustelle herumplagen, die er nicht zu verantworten hatte, die aber immer teurer und einfach nicht fertig wurde. Aus 33,6 Millionen Euro Umbaukosten wurden zunächst 41,6 Millionen und zuletzt 55 Millionen, wie die Landesregierung immer wieder auf Insistieren der SPD-Opposition offenlegen musste. Trotz aller Kritik an der „Luxussanierung“ dachte an Betrug offenbar niemand.