Düsseldorf. Wird die Lohnfortzahlung am ersten Krankheitstag gestrichen, um die hohen Fehlzeiten zu senken? Jetzt äußert sich die NRW-Wirtschaft.

Im Streit über die Lohnfortzahlung für Arbeitnehmer im Krankheitsfall hat der Präsident der Industrie- und Handelskammern in Nordrhein-Westfalen (IHK NRW), Ralf Stoffels, Reformbereitschaft eingefordert.

„Wir werden an dem Punkt was tun müssen. Ich finde gut, dass es darüber eine Diskussion gibt“, sagte Stoffels am Donnerstag in Düsseldorf. Der Unternehmer aus Ennepetal verwies auf die im internationalen Vergleich hohen Fehlzeiten in Deutschland. „Was der richtige Weg ist, da will ich mich jetzt gar nicht direkt zu äußern“, so Stoffels weiter.

IHK-Präsident Ralf Stoffels.
IHK-Präsident Ralf Stoffels. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Angesichts der schlechten Konjunkturaussichten und der Schieflage vieler Betriebe an Rhein und Ruhr mahnte der IHK-Präsident gleichzeitig dazu, in schwierigen Zeiten die Belegschaften zusammenzuhalten. „In Zeiten von Facharbeitermangel bringt es nichts, wenn ich jetzt meinen Mitarbeitern Blaumachen unterstelle, aber ich hätte sie natürlich lieber am Arbeitsplatz“, sagte Stoffels.

Allianz-Chef: „Deutschland ist Weltmeister bei Krankmeldungen“

Allianz-Chef Oliver Bäte hatte vorgeschlagen, die Arbeitnehmer sollten die Kosten für den ersten Krankheitstag künftig selbst tragen. „Deutschland ist mittlerweile Weltmeister bei den Krankmeldungen“, sagte Bäte dem „Handelsblatt“. 2023 waren die Arbeitnehmer durchschnittlich 15,1 Arbeitstage krankgemeldet, 2024 zeichnete sich nach ersten Auswertungen der Krankenkassen ein neues Rekordhoch ab.

In Deutschland erhalten Arbeitnehmer vom ersten Tag der Krankmeldung an bis zu sechs Wochen lang 100 Prozent ihres Lohns weiterhin ausbezahlt. Erst ab dem vierten Tag der Krankschreibung wird in der Regel ein ärztliches Attest fällig.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat den Vorschlag des Allianz-Chefs, die Lohnfortzahlung für den ersten Tag einer Krankmeldung zu streichen, scharf zurückgewiesen. „Wer krank gemeldete Beschäftigte unter den Generalverdacht des Blaumachens stellt, hat ein verzerrtes Bild von den arbeitenden Menschen in diesem Land“, sagte Heil dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die Deutschen seien keine Drückeberger und Faulenzer.

NRW-Arbeitsminister Laumann bei Lohnfortzahlung „gebranntes Kind“

Auch NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hat bereits abgewunken: „Ich bin da ein gebranntes Kind. Ich habe als Bundestagsabgeordneter mal für ihre Einführung gestimmt. Dann hat die IG Metall mit Zustimmung der Arbeitgeber die Karenztage per Tarifvertrag für ihre Branchen kassiert“, sagte er der „Rheinischen Post“. In den 90er Jahren hatte die Regierung Kohl zwischenzeitlich Kürzungen bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ermöglicht.

In anderen EU-Staaten ist die Lohnfortzahlung weniger großzügig geregelt: In Schweden etwa gibt es einen Karenztag ohne Krankengeld, und ab dem zweiten Krankheitstag ein Jahr lang 80 Prozent des Lohns, wobei ab Tag 14 die Sozialversicherung für den Arbeitgeber einspringt.