Düsseldorf. Das neue Lagebild zur Jugendkriminalität in NRW ist besorgniserregend. Muss die Strafmündigkeitsgrenze neu diskutiert werden?

Seit einem Vierteljahrhundert gehört es zu den Reflexen jeder Debatte über Jugendkriminalität, dass der Ruf nach Absenkung des Strafmündigkeitsalters nicht lange auf sich warten lässt. Tatsächlich liefern auch die neuen Zahlen aus dem Düsseldorfer Landeskriminalamt hierfür eine Vorlage.

Gruppe der Tatverdächtigen unter 14 wächst

Die Gruppe der Tatverdächtigen unter 14 Jahren wächst besorgniserregend, die Qualität der Delikte scheint immer brutaler zu werden. NRW-Innenminister Reul, selbst ehemaliger Studienrat für Sozial- und Erziehungswissenschaft, liegt vermutlich richtig mit der Diagnose, dass die Corona-Pandemie „unsere Kinder“ verändert habe und die Konfliktlösungskompetenz im sogenannten Homeschooling weiter gelitten habe. Überdies zeigt der hohe und stark wachsende Anteil von ausländischen Tatverdächtigen, dass gesellschaftlich etwas verrutscht. Man mag den mutmaßlich nächsten Kanzler Merz dafür schelten, dass er die Autoritätsverachtung der „kleinen Paschas“ so pointiert benennt, doch die Diagnose fehlender Regeltreue kennt fast jeder Lehrer aus eigenem Erleben.

Präventionsprogramme wirken langfristig

Nur: Ändert die Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters von 14 auf 12 irgendetwas am Gesamtbefund? Abschreckung setzt planvolles Handeln voraus. Die frühzeitige Strafverfolgung von Kindern dürfte kaum helfen, sie von der schiefen Bahn zu bringen. Erfolgversprechender sind Präventionsprogramme wie das Intensivtäterprojekt „Kurve kriegen“, das übrigens Reuls viel gescholtener Amtsvorgänger konzipiert hatte. Wichtig wäre auch ein Verständnis dafür, dass die Jugendkriminalität von morgen in Kitas, Schulen, Flüchtlingsheimen und Moscheen oder in Jugendtreffs, Sportvereinen und der Familienarbeit entschieden wird.