Berlin. Eine Regierungsbildung in Österreich ist gescheitert. Kanzler Karl Nehammer kündigte persönliche Konsequenzen an. Wie geht es weiter?
Österreichs Kanzler Karl Nehammer will als Regierungschef und als Chef der konservativen ÖVP zurücktreten. Nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen werde er sich in den kommenden Tagen von diesen Posten zurückziehen, sagte er in einer Videobotschaft.
Zuvor war bekannt geworden, dass auch die Verhandlungen über eine Mitte-Regierung ohne die rechte FPÖ in Österreich gescheitert sind. Die konservative ÖVP habe ihre Gespräche mit der sozialdemokratischen SPÖ beendet, bestätigten Parteikreise. Zuvor hatte die Nachrichtenagentur APA über das Aus der Verhandlungen berichtet. „Eine Einigung ist in wesentlichen Kernmaterien nicht möglich“, hieß es aus der Partei.
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Österreich: Liberale ließen Gespräche über Ampel-Koalition am Freitag platzen
Erst am Freitag waren die liberalen Neos nach wochenlangem Ringen überraschend aus Verhandlungen mit ÖVP und SPÖ über eine Ampel-Koalition ausgestiegen. Danach setzten die zwei verbliebenen Parteien Gespräche am Samstagnachmittag fort. Bereits am Abend waren die Gespräche jedoch schon wieder zu Ende.
Die Verhandlungen der Mitte-Parteien waren auch ein Versuch, die rechte FPÖ nach ihrem Wahlsieg Ende September von der Macht fernzuhalten. ÖVP und SPÖ hätten im Parlament jedoch nur eine knappe Mehrheit von einer Stimme gehabt.
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Österreich: Darum scheiterten die Koalitionen
SPÖ und ÖVP konnten in verschiedenen Bereichen nicht zueinanderfinden. Die SPÖ forderte unter anderem, dass der defizitäre Staatshaushalt auf den Schultern reicherer Bevölkerungsschichten saniert werden müsse; die ÖVP war strikt gegen zusätzliche Steuern.
„Es ist augenscheinlich, dass die destruktiven Kräfte in der SPÖ die Oberhand gewonnen haben“, sagte Nehammer in seiner Videobotschaft. Die ÖVP werde keinem wirtschafts- und leistungsfeindlichen Programm zustimmen, betonte er.
Nehammer will weiterhin nicht mit FPÖ verhandeln
Gleichzeitig machte Nehammer klar, dass er weiterhin nicht bereit sei, mit der rechten FPÖ unter Parteichef Herbert Kickl Koalitionsgespräche zu führen. „Es ist meine tiefe Überzeugung, dass Radikale für kein einziges Problem eine Lösung bieten“, sagte Nehammer. Der Kanzler hatte die FPÖ unter der Führung Kickls unter anderem wegen dessen Russland-freundlicher Haltung und wegen mangelnder Abgrenzung von rechtsextremen Gruppen wie den Identitären abgelehnt. Der Wirtschaftsflügel seiner Partei bevorzugt hingegen eine Koalition mit der FPÖ statt mit den Sozialdemokraten.
SPÖ-Chef Andreas Babler machte in einer Stellungnahme diese Kräfte unter den Konservativen für das Scheitern einer möglichen Großen Koalition verantwortlich. „Jener Flügel hat sich durchgesetzt, der von Anfang an mit den Blauen geliebäugelt hat“, sagte er unter Verweis auf die Parteifarbe der FPÖ. Jetzt drohe „ein rechtsextremer Kanzler“, sagte Babler.
Österreich: Wie geht es weiter?
Was nun auf den Schritt der ÖVP folgt, ist nicht unmittelbar klar. Sollte es zu Neuwahlen kommen, könnte die rechtspopulistische FPÖ auf einen fulminanten Sieg hoffen. Letzte Umfragen signalisierten ein weiteres großes Stimmen-Plus im Vergleich zur Nationalratswahl. Danach könnte die FPÖ ihr Ergebnis von 29 Prozent noch einmal deutlich auf rund 35 Prozent steigern.
Österreichische Medien hatten in den vergangenen Tagen Ex-Kanzler Sebastian Kurz unter Berufung auf konservative Kreise als möglichen neuerlichen ÖVP-Chef ins Spiel gebracht. Kurz hatte von 2017 bis 2019 als Kanzler mit der FPÖ und danach mit den Grünen regiert.
Wegen Korruptionsermittlungen gegen ihn zog er sich 2021 aus der Politik zurück. Die Untersuchungen zu den Vorwürfen, die Kurz bestreitet, laufen noch. Kurz hat sich zu den Gerüchten über ein mögliches Comeback noch nicht geäußert. Neben Kurz kursiert auch der Name der ehemaligen EU-Ministerin Karoline Edtstadler für die Nachfolge von Nehammer.