Düsseldorf. Die CSU will das Bleiberecht ans Einkommen koppeln. Geht das? Und wie sieht die Arbeitsmarktlage bei Migranten in NRW ungeschminkt aus?
Der Ruf aus der CSU nach einer deutlich schärferen Migrationspolitik ist von der schwarz-grünen Landesregierung als teilweise unrealistisch zurückgewiesen worden. „Die aktuelle Forderung, das Bleiberecht von Zuwanderern künftig an deren auskömmliches Einkommen zu koppeln, ist stark pauschaliert und ignoriert zum Teil die aktuelle Rechtslage“, sagte eine Sprecherin von NRW-Flüchtlingsministerin Josefine Paul (Grüne) auf Anfrage unserer Redaktion.
Nach dem Willen der CSU sollen Zugewanderte künftig nur noch in Deutschland bleiben dürfen, wenn sie ein auskömmliches Einkommen nachweisen können. Bei ihrer Winterklausur will die CSU-Landesgruppe im Bundestag kommende Woche ein Positionspapier beschließen, das Migration „in die Sozialsysteme“ unter einem neuen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) künftig verhindern soll.
Geduldete können oft nicht abgeschoben werden
„Wer dauerhaft bei uns leben möchte, muss auch dauerhaft Leistung erbringen und darf nicht dauerhaft Leistungen in Anspruch nehmen“, so das CSU-Papier. Deutschland brauche eine „harte Kurskorrektur in der Migrationspolitik“.
In NRW gibt es Zweifel an Sinn und Umsetzbarkeit solcher Forderungen. So müssten etwa Personen, denen im Rahmen eines Asylverfahrens ein Schutzstatus zuerkannt worden ist, ihren Lebensunterhalt nicht sichern, so das Flüchtlingsministerium. Die Gewährung des humanitären Schutzes stehe hier im Vordergrund. Gleichwohl sei die Arbeitsmarktintegration auch bei dieser Personengruppe ein zentrales Anliegen der Landesregierung.
Bei Flüchtlingen mit Duldungsstatus wiederum, die dauerhaft bleiben wollen, verlange das Aufenthaltsgesetz schon heute eine „überwiegende Sicherung des Lebensunterhalts durch Erwerbstätigkeit“. Das bedeutet: Sie müssen mindestens 50 Prozent der Regelsätze des Bürgergeldes selbst verdienen, was bei einer Familie mit mehreren Kindern regelmäßige Arbeit voraussetzt.
144.158 Flüchtlinge in NRW arbeiten sozialversicherungspflichtig
Bei den meisten Geduldeten, die eigentlich nicht in NRW heimisch werden dürfen, gibt es in der Regel Abschiebehindernisse wie soziale Härten oder fehlende Reisedokumente. „Ein fehlendes Einkommen ändert an diesem Befund nichts“, so das NRW-Flüchtlingsministerium. Selbst wenn das Bleiberecht an das Gehalt der Betroffenen gekoppelt würde, bekäme man sie nicht leichter außer Landes.
SPD-Landtagsfraktionsvize Lisa-Kristin Kapteinat warf der Union blanken Populismus wenige Wochen vor der Bundestagswahl vor. „Neben diesem vorläufigen moralischen Tiefpunkt sind die Forderungen zudem kaum mit unserem Europa- und Verfassungsrecht vereinbar“, so Kapteinat.
In NRW ist die Frage gar nicht so leicht zu beantworten, wieviele Flüchtlinge finanziell auf eigenen Beinen stehen und wer „in die Sozialsysteme“ zugewandert ist. Einen Annäherungswert bekommt man, wenn man Menschen aus den acht wichtigsten Asylherkunftsländern betrachtet: Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien.
Exakt 144.158 Menschen aus diesen Ländern arbeiteten Ende Juni in NRW sozialversicherungspflichtig, was ein „auskömmliches Einkommen“ nach CSU-Definition sichern dürfte. Davon waren allein knapp 63.000 Arbeitnehmer aus Syrien. Mutmaßlich gibt es auch noch einige Selbstständige mit solider Finanzlage, die jedoch statistisch nicht erfasst werden.
Zugleich waren im Sommer genau 186.322 erwerbsfähige Menschen aus den wichtigsten acht Asylherkunftsländern in NRW arbeitslos gemeldet oder zumindest auf staatliche Ergänzungsleistungen angewiesen. Längst nicht alle sind untätig. „Wenn das Gehalt nicht reicht, ich also als Reinigungskraft nicht ausreichend Geld für Wohnung und zwei Kinder verdiene, kann ich ‚aufstocken‘“, erklärt ein Sprecher der Bundesagentur für Arbeit in Düsseldorf.
Gutes Wachstum bei der Beschäftigung von Ukrainern in NRW
Wirklich arbeitslos sind knapp 77.500 Flüchtlinge, gut 38.000 sind „Aufstocker“, der Rest der Leistungsbezieher steckt in einem Sprachkurs oder einer Qualifizierung.
Gesondert betrachtet werden müssen Ukrainer, die wegen der „Massenzustromrichtlinie“ kein Asyl in Deutschland beantragen müssen und sofort ins Bürgergeld-Regime übernommen werden. Nach einer Hochrechnung der Arbeitsagentur, arbeiteten im Oktober bereits 44.300 Menschen aus der Ukraine sozialversicherungspflichtig in NRW. „Hier gibt es das ganze Jahr über schon ein ständiges gutes Wachstum bei der Beschäftigung“, so der Arbeitsagentur-Sprecher.
Allerdings sind auch gut 112.000 Ukrainer in NRW auf Sozialleistungen angewiesen. Rund 46.000 von ihnen sind arbeitslos, knapp 15.700 sind berufstätige „Aufstocker“, der Rest befindet sich in Sprachkursen und Qualifizierungsmaßnahmen.
Das NRW-Flüchtlingsministerium pocht darauf, dass trotz aller Schwierigkeiten ein Zuzug ins Land gebraucht werde: „Und die meisten Menschen, die zu uns kommen, kommen mit Kompetenzen. Sie wollen sich bei uns einbringen und arbeiten.“
Die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten könne ein Lösungsbaustein sein, um dem hohen Bedarf an Fach- und Arbeitskräften zu begegnen. „Deshalb müssen wir mit Blick auf die Gruppe der Menschen mit Fluchthintergrund, die bereits heute bei uns leben und eine Bleibeperspektive haben, deren Kompetenzen und Potenziale noch besser und schneller heben“, so das Ministerium. Dafür sei es notwendig, bürokratische Hürden abzubauen, etwa bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse oder der Aufhebung von Arbeitsverboten.