Oberhausen. Die Weihnachtsfeiertage bieten eine gute Chance, darüber nachdenken, in welcher Gesellschaft wir eigentlich leben wollen. Ein Kommentar.
In diesem Jahr hat sich unsere Gesellschaft bei der Art und Weise, wie Diskussionen geführt worden sind, nicht mit Ruhm bekleckert: Gerade die Debatte über Ausländer und Zuwanderer droht aus dem Ruder zu laufen. Weihnachten bietet eine gute Gelegenheit, darüber nachzudenken, was im Kern unsere Gesellschaft ausmachen soll, welche Werte unsere Leitplanken sind.
Oberhausen und das gesamte Ruhrgebiet sind nicht denkbar ohne eine gute Tradition der Zuwanderung zunächst fremder Menschen, die die Wirtschaft und die Städte hier aufgebaut haben - seit über 150 Jahren. Oberhausen hat in zwei Wellen der jüngsten Zeit, 2015 und 2022, Tausende Menschen in Not neu aufgenommen - fast 4000 Syrer leben nun hier, fast 3700 Ukrainerinnen.
Zuwanderung: Kommunen an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit
Dies kostet viel Geld, dies bringt die Kommune an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit und darüber hinaus, nicht nur beim Bau von Kitas und Schulen, sondern auch bei der notwendigen Kraft, so unterschiedliche Kulturen zu integrieren. Diese humane Leistung sollte man erst einmal loben, auf diesen Ausdruck gelebter Menschlichkeit sollte man stolz sein.
Dass es beim Zusammenleben von Menschen aus 140 Staaten wie in Oberhausen und einem so massiven Zuwachs an neuer Zuwanderung auch zu großen Problemen kommt, liegt in der Natur der Sache. Die notwendige harte Debatte um Lösungen ist aber leider in den vergangenen Jahren ausgeartet - in oft menschenverachtenden Vorwürfen und Pauschalisierungen. Ausländer allgemein wurden mit Kriminalität, Gewalt, Islamismus, Judenhass in Verbindung gebracht, ganze Volksgruppen wurden verunglimpft. Wie müssen sich Menschen fühlen, die anders aussehen, anders glauben als die Mehrheit der Gesellschaft, wenn sie diese Debatten verfolgen?
Vier Wahrheiten sind in den üblen Wellen dieser Ausländer-Debatte untergegangen:
Erstens: Die meisten Menschen in dieser Welt wollen nichts anderes, als mit ihrer Familie sicher und in Frieden in einer bezahlbaren Wohnung leben, einer Arbeit nachgehen, Freunde gewinnen und das Leben genießen.
Zweitens: Unsere Gesellschaft benötigt Zuwanderer dringend, um weiter Wohlstand und Leben in unseren Städten zu sichern.
Drittens: Zuwanderer haben auf ihrem steinigen Weg hierhin so viele Hürden überwunden, dass sie in der Regel durch ihren Ehrgeiz, ihre Zielstrebigkeit und ihren Willen einen wichtigen Beitrag für die Zukunft Deutschlands leisten oder leisten werden.
Viertens: Deutschland ist im Vergleich zu der Lebenssituation in Hunderten Staaten dieser Welt ein sehr sicherer und wohlhabender Staat, den sehr viele Menschen hochattraktiv finden - während wir Deutschen derzeit dazu neigen, unser Land am Abgrund zu sehen und in Jammerei zu verfallen.
Ja, es stimmt: Unter Zuwanderern gibt es Idioten, Extremisten, Terroristen, Frauen- und Freiheitsfeinde - wie unter den langjährig Einheimischen auch. Der Staat muss die demokratisch festgelegten Gesetze gegenüber allen konsequent durchsetzen, muss für Sicherheit im Inneren und nach außen sorgen - daran hapert es bisher. Grundgesetz und Menschenrechte gelten für alle - ohne Ausnahme.
Menschenverachtende Worte und Taten
In diesen Krisenzeiten nehmen menschenverachtende Worte und Taten überhand - nicht nur in den sozialen Medien. Deshalb ist jeder einzelne von uns gefragt, aufzupassen, dass wir am Ende nicht in einer Gesellschaft voller Hass, Neid, Misstrauen und Angst landen. Eine Gesellschaft, in der jeder dem anderen erst einmal Übles unterstellt, ist keine lebenswerte Gesellschaft mehr.
Letztendlich gibt es keine vernünftige Alternative dazu, ein Zusammenleben anzustreben, das auf Respekt, Mitgefühl, Toleranz und Freiheit basiert. Oder um es mit Marcel Reifs Vater zu sagen: „Sei ein Mensch!“
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