Paris. Frankreichs Premier soll die Präsidentschaft Macrons retten. Aber er hat mächtige Feinde. Auch Le Pen hat noch eine Rechnung mit ihm offen.
Diesmal ging es schneller. Nur zehn Tage nach dem Sturz des bisherigen Premiers Michel Barnier stieg aus dem Pariser Élysée-Palast weißer Rauch auf: Das Präsidialamt bestätigte am Freitag die Ernennung von François Bayrou zum neuen Regierungschef Frankreichs.
Der 73-jährige Politveteran gilt wie Emmanuel Macron als Mitte-Politiker. Er hatte unter ihm bereits 2017 kurz als Justizminister gedient, bevor er wegen einer Veruntreuungsaffäre den Hut nehmen musste.
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Seine Hauptmission besteht stillschweigend darin, die schlingernde Staatsführung des zweitgrößten EU-Mitgliedstaates zu stabilisieren. Macron ist nach den verpatzten Neuwahlen dieses Sommers angeschlagen. Seit dem Sturz Barniers verfügt Frankreich nicht einmal mehr über einen Haushalt für das kommende Jahr. Der alte Fuchs Bayrou, der vor über dreißig Jahren erstmals Minister geworden war, soll unter anderem auch die Finanzmärkte beruhigen. Nicht nur sie sorgen sich um die horrende Staatsschuld von 3200 Milliarden Euro und ein Budgetdefizit von 6,2 Prozent.
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Frankreich: Gründe für Barniers Scheitern sind keineswegs beseitig
Ob mit Bayrou Ruhe in die französische Politik einkehren wird, ist allerdings zu bezweifeln. Der in Frankreich bekannte Zentrist steht in der Sache wie der Form für eine ähnliche Politik wie sein Vorgänger Barnier: Die zwei sind gleich alt; sie verkörpern einen Politstil „à l’ancienne“ (alter Schule) und stehen für seine moderate bürgerliche Politik christdemokratischer Prägung.
Anders gesagt sind die Gründe, die zum Ende der nur dreimonatigen Amtszeit Barniers führten, keineswegs beseitigt. Die linke „Volksfront“ beansprucht seit letztem Sommer den Premier-Posten. Bei den Neuwahlen hatte sie in der 577-köpfigen Nationalversammlung 180 Sitze errungen – ein Dutzend mehr als Macrons Mitte und 40 mehr als Marine Le Pens Rechte. Deshalb erachtet sie Macrons Regierungen als nicht legitim.
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Ein neuer Misstrauensantrag der Volksfront gegen Bayrou ist damit nicht auszuschließen. Die Fraktionschefin der „Unbeugsamen“, Mathild Panot rief nur Minuten nach der Ernennung Bayrous, ihn zu stürzen, wie schon Barnier gestürzt worden war.
Vorläufig gibt es dafür keine Mehrheit: Sozialisten sprachen sich in ersten Reaktionen gegen einen Sturz aus; auch Le Pens rechte Hand Jordan Bardella erklärte, fürs Erste gäbe es keinen Grund für eine „censure“, wie man einen Misstrauensantrag in Frankreich nennt.
Frankreich: Bayrou könnte von vereinter Linker gestürzt werden
Das kann aber sehr rasch ändern. So vor allem, wenn Bayrou in den nächsten Tagen ein Sparbudget vorlegen sollte. In dem Fall könnten die Linksparteinen und die Lepenisten rasch wieder eine Mehrheit zustande bringen, um die neue Regierung zu Fall bringen.
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Macron hatte deshalb in den letzten Tagen versucht, die Volksfront aufzubrechen. So bot er pragmatischen Sozialdemokraten wie Bernard Cazeneuve oder Jean-Yves Le Drian offenbar den Premierposten an. Sie lehnten aber dankend ab – vielleicht, weil ihnen Macron keine freie Bahn ließ; vielleicht aber auch, weil sie der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon als „Verräter“ an der Neuen Volksfront beschimpft hatte.
Für das Überleben der Bayrou-Regierung wird ausschlaggebend sein, ob die Sozialisten und die Grünen, das heißt die moderaten Komponenten der Volksfront, einen Misstrauensantrag der Extremisten Mélenchon und Le Pen mittragen werden. Bayrou ist bei den Sozialisten zwar eher gut angesehen; aber er muss befürchten, dass die vereinte Linke ihn zu stürzen versucht, um indirekt Macron zu treffen. Denn aller Voraussicht würde ein zweiter Regierungssturz unweigerlich auch Macron in den Strudel reißen.
Frankreich: Le Pen hat noch eine Rechnung mit Bayrou offen
Der neue Premier wird zudem nicht nur von der Linken angefochten. Bei den konservativen Republikanern ist Bayrou geradezu verhasst. Deren graue Eminenz und Ex-Präsident Nicolas Sarkozy hat nicht vergessen, dass der Zentrumsdemokrat bei zwei Präsidentschaftswahlen nicht zu seiner Wahl aufgerufen hatte: 2007 hatte er die Sozialistin Ségolène Royal bevorzugt, 2012 François Hollande.
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Keine besseren Gefühle weckt Bayou auf der extremen Rechten. Le Pen droht im kommenden März eine Verurteilung wegen der Veruntreuung von EU-Geldern. Bayrou ist dagegen im Februar aufgrund des gleichen Tatbestandes freigesprochen worden, auch wenn nur aus Mangel an Beweisen. Le Pen könnte nicht nur verurteilt, sogar für unwählbar erklärt werden. Ein guter Grund für die Gründerin des Rassemblement National, Bayrou diese „Ungerechtigkeit“ heimzahlen zu wollen – also auch ihn zu stürzen.
Vorläufiges Fazit von Bayrous Ernennung: Von rechts- bis linksaußen angefochten, von Mélenchon, Sarkozy und Le Pen bedroht, dürfte der neue Premier für Macron kaum ein Anker der Stabilität sein. Ebenso wenig für Frankreich und Europa.