Baku. Europas Spitze hofiert ihn, trotz allem: Aserbaidschans Staatschef Ilham Aliyev weiß, dass er etwas hat, was alle von ihm wollen.

Es stinkt. An vielen Orten in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, riecht es nach Tankstelle. Am Stadtrand wird Öl gefördert, von den Uferrestaurants aus, am Kaspischen Meer, können die Gäste Bohrpattformen sehen. Die Stadt ist buchstäblich auf Öl gebaut. Und durch Öl reich geworden. Verrückt, dass ausgerechnet hier, in einer Art Welthauptstadt fossiler Brennstoffe, die jüngste große Weltklimakonferenz stattfand. Unter der Schirmherrschaft eines diktatorischen Präsidenten, der „Öl und Gas als Geschenk Gottes“ bezeichnet.

Und die COP29 war nicht das einzige Format, das nach Aserbaidschan kam und dort irgendwie nicht hinzupassen schien. Die „Formel 1“ war bereits zu Gast, der Eurovision Song Contest und die Fußballeuropameisterschaft auch. Ein Ergebnis hatte die Klimakonferenz zumindest: Ilham Aliyev, der das Präsidentenamt von seinem Vater „geerbt“ hat, gilt nun als honoriger Staatschef und guter Gastgeber – immerhin waren 50.000 Menschen bei der Konferenz zu Gast, deutlich mehr als bei der EURO 2021.

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Im Land regiert Aliyev mit eiserner Hand. Korruption ist das treibende Element in Aserbaidschan. Der Begriff „Kaviar-Diplomatie“ machte die Runde: Vor allem im Europarat agierten aserbaidschanische Lobbyisten sehr erfolgreich mit teuren Geschenken und Einladungen. Im Gegenzug wird schon mal ein kritischer Bericht über politische Gefangene im Plenum abgelehnt und eine offenkundig manipulierte Wahl einfach zur Kenntnis genommen. 

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COP29 UNFCCC Climate Conference In Baku
Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev bei seiner Eröffnungsrede zur Weltklimakonferenz in Baku. © Getty Images | Sean Gallup

Aserbaidschan: Eine Autokratie, die als lachende Dritte zwischen der EU und Russland tanzt

Die Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ stellt fest, Aserbaidschans Regierung „missachtet Bürgerrechte und sorgt dafür, dass es kaum noch unabhängige Gruppen und kritische Medien gibt“. Und auf der Rangliste der Pressefreiheit, bei der „Reporter ohne Grenzen“ 180 Staaten beurteilt, liegt Aserbaidschan auf Platz 164 – und damit noch hinter Russland. „Die Verhaftung von medienschaffenden Aktivisten und Mitgliedern der Opposition, die sind sehr bedenklich“, so Außenministerin Annalena Baerbock hat bei ihrem Auftritt auf der Klimakonferenz. Die Menschenrechtslage sei besorgniserregend. 

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Aserbaidschan, eine Autokratie, die als lachende Dritte zwischen der EU und Russland tanzt. Und kräftig Profit macht. Russlands Präsident Wladimir Putin war im August zu Gast in Baku. Fotos zeigen ihn beim herzlichen Empfang. „Ich bin sicher, dass dieser Besuch für Sie sowohl angenehm als auch für unsere Beziehungen nützlich sein wird“, sagte Gastgeber Aliyev. Vereinbart wurde der gemeinsame Bau von Tankschiffen. Diese sollen Öl aus der Region des Kaspischen Meeres und des Schwarzen Meeres ins Mittelmeer und damit auf den Weltmarkt transportieren.

BRICS Summit in Kazan
Autokraten unter sich: Herzlicher Empfang zwischen Wladimir Putin und Ilham Aliyev. © picture alliance / Anadolu | Sefa Karacan

Und auch die EU umschmeichelt Aliyevs Autokratenregime. Da geht es vor allem um Gas. Bereits Im Juli 2022 war EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei Aliyev in Baku und bezeichnete Aserbaidschan als „vertrauenswürdigeren Partner“. Dann, im April 2023, hatten Gasleitungsbetreiber aus vier EU-Staaten in Mittel- und Südosteuropa mit Aserbaidschan eine verstärkte Kooperation beschlossen. „Die Initiative basiert auf Zusammenarbeit und Solidarität, die infolge des Kriegs in der Ukraine neue Dimensionen erhielten“, begründete das der bulgarische Präsident Rumen Radew. Nicht nur Öl, auch Gas gibt es in Aserbaidschan reichlich. In den ersten acht Monaten 2024 wurden 33 Milliarden Kubikmeter Erdgas gefördert. Laut Energieministerium 2,5 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. 8,4 Milliarden gehen nach Europa, 3,7 Milliarden in die Türkei. Aserbaidschan plane, seine Erdgaslieferungen in die EU bis 2027 zu verdoppeln, kündigte Aliyev an. 

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Von Jo Angerer

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Armenien: Der große Verlierer im Machtpoker um Öl und Gas

Ungestraft durften Aliyevs Truppen im September 2023 die armenische Enklave Bergkarabach erobern. 120.000 dort ansässige Armenier mussten aus ihrer Heimat fliehen. Europa schwieg weitgehend. Und Russland, die Schutzmacht Armeniens? Mit Beginn des Ukraine-Kriegs hatte sich die weltpolitische Lage geändert. Russland, eigentlich die Schutzmacht Armeniens, braucht nun Aserbaidschan, um Handelswege in Richtung Iran aufzubauen. Und Russland braucht die Türkei, die Schutzmacht Aserbaidschans. Über die Türkei werden viele Waren nach Russland exportiert, unter Umgehung der westlichen Sanktionen. Aliyev kostete den Erfolg aus, ließ in Bergkarabach aserbaidschanische Flaggen hissen, kniete vor ihnen nieder, küsste sie. Und ließ sich in einer vorgezogenen Wahl sogleich erneut zum Präsidenten wählen. Nach der Wiederherstellung der territorialen Integrität Aserbaidschans brauche der Präsident jetzt direkt eine neue Legitimation, hieß es.

Der große Verlierer im Machtpoker um Öl und Gas ist Nachbar Armenien. Das bettelarme Land muss jetzt mit den vielen Flüchtlingen zurechtkommen. Mit nur wenig Unterstützung. Der armenische Publizist Boris Navasardyan drückt das so aus: „Aserbaidschan ist heute für Russland wichtiger als Armenien. Dort bekommt Russland vieles, was Armenien nicht zu bieten hat.“

Dieser Text basiert auf dem jüngsten Buch unseres Autors. Der freie Russland-Korrespondent Jo Angerer hat sich darin intensiv mit den Staaten der ehemaligen Sowjetunion befasst. „Von der Weltmacht zum Weltkrisenherd – Der Zerfall der Sowjetunion und seine Folgen“, Goldmann-Verlag, München, 2024