Düsseldorf. Nach dem Assad-Sturz ist eine Abschiebedebatte entbrannt. Wann und wie wird der Asylstatus von über 175.000 Syrern in NRW angepasst?
Nach dem Sturz des syrischen Diktators Baschar al-Assad hat NRW-Flüchtlingsministerin Josefine Paul (Grüne) vor voreiligen Schlussfolgerungen für die deutsche Asyldebatte gewarnt. „Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation mit den zahlreichen Konfliktparteien vor Ort nun entwickeln wird“, erklärte eine Ministeriumssprecherin am Montag auf Anfrage unserer Redaktion.
Allein in Nordrhein-Westfalen leben zurzeit mehr als 176.000 Menschen aus Syrien. Sie sind entweder anerkannt als politisch Verfolgte des Assad-Regimes, genossen bislang sogenannten „subsidiären Schutz“ wegen der seit 14 Jahren anhaltenden Bürgerkriegslage in der Heimat oder waren ausreisepflichtig, konnten aber aus logistischen, humanitären und sonstigen Gründen nicht abgeschoben werden.
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Bundesbehörde hat Bearbeitung von Asylverfahren erst einmal gestoppt
Mit dem Sturz Assads durch verschiedene Rebellengruppen am Wochenende ist in der Politik postwendend die Frage entbrannt, was die neue Lage asylrechtlich bedeutet. Aus der Union kam auf Bundesebene die Forderung, den Asylstatus der Syrer umgehend neu zu bewerten und Rückkehrmöglichkeiten zu prüfen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) verhängte zunächst einen vorübergehenden Entscheidungsstopp für aktuell noch laufende Asylverfahren syrischer Staatsbürger.
Die Bearbeitungspause der Bundesbehörde bis zur Klarheit über die weitere Lage in Syrien soll aber nicht für „Dublin-Verfahren“ gelten, also für Menschen, die über einen anderen EU-Staat nach NRW eingereist sind und unter Umständen dorthin zur weiteren Bearbeitung überstellt werden können.
Die schwarz-grüne Landesregierung stehe in engem Kontakt mit dem Bund, betonte das NRW-Flüchtlingsministerium. „Denn das Auswärtige Amt nimmt die entsprechende Lagebeurteilung vor, das Bundesministerium des Inneren die Beurteilung möglicher Auswirkungen auf das Fluchtgeschehen“, so die Paul-Sprecherin. Da die Lage in Syrien derzeit noch gar nicht belastbar einzuschätzen sei, könne man „eine Prognose in Bezug auf mögliche veränderte Zugangszahlen oder mögliche Rückführungen“ nicht abgeben.
NRW mit Prognosen über veränderte Flüchtlingszahlen vorsichtig
Es müsse jetzt darum gehen, Syrien bei einem Weg zum Frieden zu unterstützen, so das NRW-Flüchtlingsministerium. Aktuell gehe man insgesamt von 45.000 bis 50.000 Asylsuchenden für das Jahr 2024 aus, wobei die Lage in Syrien die Einschätzungen „ad hoc verändern können“. Im vergangenen Jahr waren noch deutlich mehr (64.711) Asylsuchende nach NRW gekommen.
Würde durch den Sturz des Assad-Regimes und eine mögliche Beruhigung der Menschenrechtslage in Syrien der Fluchtgrund entfallen, hätte dies erhebliche Folgen für Abschiebungen. In NRW-Regierungskreisen wurde jedoch darauf hingewiesen, dass niemand abschätzen könne, ob dafür mögliche Regimetreue plötzlich als politisch verfolgt eingestuft werden müssten und wieviele Syrer, die seit 2015 in Deutschland heimisch geworden sind, ohnehin freiwillig zurückwollen.
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