Düsseldorf. Das Porträt des Ex-Ministerpräsidenten Laschet hängt jetzt in der NRW-Ahnengalerie. Aber ist wirklich Schluss mit Spitzenämtern?
Der perfekte Schuss glückt buchstäblich erst, als Armin Laschet schon auf dem Absatz kehrtmachen will. Als sich der frühere NRW-Ministerpräsident vor einiger Zeit für die Ahnengalerie der Düsseldorfer Staatskanzlei fotografieren lässt, gelingt das entscheidende Motiv erst kurz vor Terminende im Treppenhaus des Bundestages in Berlin.
Es ist eine Schwarz-Weiß-Arbeit des Star-Trompeters Till Brönner, der sich seit einigen Jahren auch einen Namen als Fotograf gemacht hat. Sie zeigt Laschet in einer Art Weichzeichner, nur die Augenpartie ist gestochen scharf. So vermittelt sich auf wundersame Weise die ganze Rastlosigkeit dieses CDU-Politikers und seine Unlust zur Selbstinszenierung.
Am Montag hat Laschets Amtsnachfolger Hendrik Wüst dieses großformatige Porträt in seinem Regierungssitz am Rheinufer enthüllt. Oft herrscht bei solchen Veranstaltungen betretene Stimmung, da der Übergang vom Amtschef zum Ahnen den gesamten Schmerz des Macht- und Bedeutungsverlustes noch einmal hervorzurufen vermag. Diesmal ist es anders.
Wüst über Laschet: Du bist aus diesem Amt geschieden ohne Groll, ohne Bitterkeit“
Seit der gescheiterten Kanzlerkandidatur 2021, dem Verlust von Ministerpräsidentenamt und CDU-Bundesvorsitz ist Laschet das Kunststück gelungen, „in die Höhe zu fallen“, um es mit Hölderlin zu sagen. Als einfacher Bundestagsabgeordneter ist der 63-Jährige gefragter Talkshow-Gast, erklärt kundig die internationalen Krisen, hält Laudationes und nimmt Preise entgegen. Er hat das Bundestagswahl-Debakel mit dem Lachen im Flutgebiet als Sinnbild aus den Kleidern geschüttelt wie sonst wohl nur die Ehrlich-Brothers ihre Karten aus dem Ärmel.
„Du bist aus diesem Amt geschieden ohne Groll, ohne Bitterkeit“, sagt Wüst bei der Feierstunde in der Staatskanzlei. Das Verhältnis von Amtsinhaber und Vorgänger sei oft schwierig: „Bei Armin und mir ist das anders. Das ist weniger mein als sein Verdienst.“ Dass Laschet den Machtübergang in Düsseldorf selbstlos moderiert hat und in Berlin von Tag eins an Friedrich Merz loyal unterstützte, der politisch eigentlich anders tickt als er selbst, rechnen ihm viele in der NRW-CDU hoch an.
Jüngst bei der Listenaufstellung der NRW-CDU zur Bundestagswahl wurde Laschet unter tätiger Mithilfe von Wüst auf den guten siebten Platz bugsiert. Die meisten Grünen mögen ihn, in der NRW-FDP schwärmen sie geradezu von ihm. Und bevor Laschet am Montag ohne Schirm durch strömenden Regen zu seiner eigenen Feier in der Staatskanzlei stapft, hält er noch ein Schwätzchen mit dem SPD-Sozialpolitiker Josef Neumann.
Spekulationen über neuen Bundestagspräsidenten Laschet
In der Erbarmungslosigkeit des aufziehenden Wahlkampfes fällt solche Verbindlichkeit auf. Manche spekulieren bereits darüber, dass der Aachener im März neuer Bundestagspräsident werden könnte. So viele Abgeordnete mit 30 Jahren Parlamentserfahrung, Prominenz, leidenschaftlicher Internationalität und vor allem parteiübergreifender Akzeptanz habe Merz ja nicht, heißt es.
Laschets integrative Kraft hebt auch Wüst – gegen sein westfälisches Naturell – überschwänglich hervor: „Er ist weltoffen, nahbar, und menschlich. Und das ist ein totaler Kontrast zu der heute immer häufiger anzutreffenden überzüchteten, fast schauspielerischen Professionalität in der Selbstdarstellung.“ Als der Vorgänger ihm 2021 den Anstecker des Ministerpräsidenten ans Revers „angefummelt“ habe, sei das bei aller unfreiwilligen Komik „ein Moment der Herzlichkeit und Wärme“ gewesen, schwärmt Wüst.
Laschet wäre nicht Laschet, wenn er den Lobpreis nicht umgehend ironisch brechen würde. „Ihr habt gehört, wie Euer Vater ist“, sagt er nach Wüsts Rede zu seinen drei erwachsenen Kindern, die in der ersten Reihe sitzen und lachen. Über seinen Platz in der Ahnengalerie, die mit dem rauchenden Rudolf Amelunxen in Öl begründet wurde, scherzt er: „Der erste Ministerpräsident sitzt da mit Zigarre in der Hand auf dem Bild. Wir haben überlegt, ob wir das auch machen. Aber das ist heute nicht mehr möglich.“
In die vierte Etage der Staatskanzlei sind an diesem Morgen viele gekommen, die diesen leichten Ton in Krisenzeiten voller Polarisierung ein wenig vermissen. Zahlreiche ehemalige Mitarbeiter Laschets, seine früheren Minister Ulla Heinen-Esser und Stephan Holthoff-Pförtner, der Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Joachim Stamp (FDP), der frühere Innen-Staatssekretär Jürgen Mathies (parteilos). Staatskanzleichef Nathanael Liminski, den Laschet vor zehn Jahren entdeckt hat, ließ sich eigens mit dem Auto nachts von den Notre Dame-Feierlichkeiten nach Düsseldorf fahren.
Laschet ist nach Hannelore Kraft erst der zweite Ex-Ministerpräsident, der sich nicht malen, sondern fotografieren lässt. Ihm fehlt wohl schlicht die Geduld und Zeit, stundenlang Porträt zu sitzen. Freimütig erzählt er, dass sich Till Brönner für die Auftragsarbeit qualifiziert habe, weil er ihn im Wahlkampf 2021 schon einmal „in fünf Minuten mit einer kleinen Leica“ abgelichtet habe.
„Armin Laschet ist kein Mann für den Smalltalk, jedenfalls nicht zwischen uns beiden. Und das habe ich am Anfang etwas verwirrend zur Kenntnis genommen“, bilanziert der international gefragte Musiker die hastige Zusammenarbeit. Obwohl Brönner als gebürtiger Viersener ebenso rheinisch geprägt ist wie Laschet. „Dass ich nicht smalltalk-geeignet bin, ist jetzt auch eine Neuigkeit für mich. Aber unsere Begegnungen waren immer knapp, zack, zack“, entschuldigt sich der Politiker.
„Wenn Du da jetzt hängst“, sagt Wüst bilanzierend zu Laschet, „bist Du ein Ahne.“ Aber vielleicht nach Rau, Clement und Steinbrück der nächste, der noch einmal auf Bundesebene von sich reden macht.