Düsseldorf. Die große Krankenhausreform ist auf der Zielgeraden. Die NRW-Kliniken warnen die Bundestagsabgeordneten vor einem „Strukturbruch“.

Kurz vor Verabschiedung der umfassendsten Klinikreform in Deutschland seit 20 Jahren am Freitag im Bundestag hat die Krankenhausgesellschaft (KGNW) noch einmal versucht, den Abgeordneten aus NRW ins Gewissen zu reden und eine „wissenschaftliche Auswirkungsanalyse“ einzufordern. In persönlichen Schreiben warnte KGNW-Präsident Ingo Morell vor möglichen Folgen für einige der 330 Krankenhäuser in NRW.

Die Reform werde „einen Strukturbruch auslösen“, so Morell. Krankenhäuser müssten sich teilweise oder ganz aus der Versorgung verabschieden, „ohne dass andere Kliniken Zeit haben, ihre Kapazitäten auszubauen“. In der Konsequenz führe dies zu einer „unkontrollierten Erosion“ der Gesundheitsversorgung für die Bürger, formuliert Morell.

Kernbestandteil der Reformpläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist die Einführung eines neuen Vergütungssystems, das medizinisch unnötige Operationen aus Umsatzgründen künftig stärker verhindern soll. Deutschland hat die höchste Krankenhaus- und Bettendichte in ganz Europa. Da sich die Kliniken bislang durch Fallpauschalen pro Patient oder Behandlungsfall finanzierten, gab es einen Anreiz für bestimmte lukrative Eingriffe.

Künftig erhalten Krankenhäuser Vorhaltepauschalen für bestimmte Leistungen

Mit der Reform erhalten Kliniken Fixbeträge für das reine Vorhalten von Personal und Medizintechnik, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen. Dazu gehören die Behandlungsqualität und die Erfahrung bei bestimmten Operationen. Die Krankenhausgesellschaft NRW kritisiert dagegen die von Lauterbach gewählte Systematik. 20 Prozent mehr oder weniger Fälle seien als Kriterium für eine steigende oder sinkende Vorhaltepauschale untauglich. Kleinen Kliniken fehle so die Existenzabsicherung, großen Häusern derweil die Möglichkeit, mehr zu erwirtschaften.

Ingo Morell, Geschäftsführer der Maria Theresia Bonzel-Stiftung.
Ingo Morell, Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW, warnt vor einem „Strukturbruch“ für die Kliniklandschaft an Rhein und Ruhr. © Jens Jeske | Jens Jeske

Die künftig vorgegebene Zahl an Mindestbehandlungen, um auch im Folgejahr eine Vorhaltevergütung für eine Leistungsgruppe zu erhalten, stellt nach Einschätzung der NRW-Kliniken insbesondere eine Gefahr für kleinere Anbieter auf dem Land mit geringeren Patientenzahlen dar. Auch die gesetzlichen Vorgaben zur Bereitstellung von Fachärzten und die strengeren Regeln zur Krebschirurgie dürften die Konzentration im NRW-Krankenhauswesen beschleunigen. Ab dem Jahr 2027 würden „willkürlich festgelegte“ 15 Prozent der operativen Therapie bei Krebserkrankungen von Krankenhäusern mit einer geringeren Fallzahl auf solcher mit einer höheren Fallzahl umverteilt, kritisiert Morell.

Parallel zur Bundesreform stellt NRW einen neuen Krankenhausplan auf

Die Ampel-Mehrheit im Bundestag für die Reform scheint jedoch zu stehen. Bisher sieht es auch so aus, dass im November der Bundesrat kein Veto mehr einlegen wird. In NRW ist parallel die Landesregierung dabei, bis zum Jahresende einen neuen Krankenhausplan mit veränderten Leistungsgruppen und Qualitätsvorgaben für die 330 Anbieter aufzustellen. Da viele Krankenhäuser rote Zahlen schreiben, ist der Handlungsdruck in Bund und Ländern groß.