Berlin/Augsburg. Es ist ein brisanter Moment für Söder: seine erste große Rede – nach der Niederlage gegen Merz im Rennen um die Kanzlerkandidatur.

Diese Rede ist keine einfache für Markus Söder. Er hat gerade einen Machtkampf verloren. Und wer Söder kennt, weiß, dass er Macht ungern verliert. Nun aber unterliegt er zum wiederholten Mal, der CSU-Chef wird kein Kanzlerkandidat der Union. Er wurde es nicht 2021, wo er gegen Armin Laschet zurückstecken musste. Er wurde es nicht in diesem Jahr, in dem nun klar ist, dass Friedrich Merz für die Christdemokraten ins Rennen geht.

Hier nun steht Markus Söder auf der Bühne in Augsburg, Parteitag seiner CSU, und der erste große Auftritt nach der Entscheidung gegen ihn. Und für Merz. Und Söder weiß, dass er und jede seiner Äußerungen genau unter Beobachtung steht.

Markus Söder sagt: Die CSU ist bereit für Neuwahlen.
Markus Söder sagt: Die CSU ist bereit für Neuwahlen. © dpa | Peter Kneffel

Söder wirkt energisch, er redet lange, lässt kaum ein Thema aus, schwärmt von der Solidarität zu Israel („Bayern steht an der Seite Israels“). Söder spricht vom Bürgergeld („unfair“), vom Förderalismus („Bayern zahlt viel, kriegt wenig“). Söder bekommt Applaus, von der CSU-Basis, weil er Bayern immer wieder als das bessere Deutschland darstellt.

Der Jubel für den CSU-Chef ist meist nicht enthusiastisch, aber mindestens höflich (am Ende stehen die Delegierten und klatschen länger). Doch vor allem gleich am Anfang ist der Applaus lauter, als er proklamiert: „Es ist Zeit für die Wende, es ist Zeit für die Union. Lasst uns gemeinsam kämpfen.“ Ist das der Sound der Versöhnung? Das Signal an Friedrich Merz, dass Söder ihn auf seinem Weg stützt?

Pyramiden statt Staatskanzlei: Söder in Ägypten

weitere Videos

    Zwei Tage lang treffen sich die Christsozialen zum Parteitag. Und das alles steht unter der großen Frage: Kann die CSU, kann Söder Einigkeit demonstrieren? Zuletzt hatte er sich mit seinen Äußerungen hinter Merz gestellt. „Wir unterstützen Friedrich Merz und wollen, dass er Kanzler wird“, gibt Söder in der „Bild“ kurz vor dem Parteitag noch einmal als Losung aus. „Wir sind sehr überzeugt davon, dass wir die richtige Formation gewählt haben. Friedrich Merz und ich werden Deutschland rocken und werden Olaf Scholz und die Ampel ablösen.“

    Auch in seiner Rede in Augsburg schießt Söder in seinem typisch rabaukigen Stil gegen die Bundesregierung. „Unser Land ist in ernster Lage“, sagt der CSU-Chef. Die Rezession, die Demokratie nach den Ostwahlen gefährdet, Anerkennung in der Welt schwinge. „Die Ampel trägt Verantwortung für den Niedergang des Landes. Die Ampel muss weg“, ruft Söder in den Saal. Er nennt das Scholz-Kabinett eine „Untergangsregierung“. Und sagt: „Sorry, Ampel, Chance verpasst.“

    Söders Verbündeter, oder Konkurrent? CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz.
    Söders Verbündeter, oder Konkurrent? CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz. © dpa | Guido Kirchner

    Wen Markus Söder in der Ampel-Koalition derzeit als seinen politischen Gegner ausgemacht hat, daran lässt er keinen Zweifel: die Grünen. Bereits vor Beginn des Parteitags Augsburg hatte der CSU-Chef den Rücktritt der Grünen-Bundesminister Robert Habeck und Annalena Baerbock sowie Neuwahlen gefordert. Eine Koalition mit „diesen Grünen“ will Söder nicht mittragen, sagt er. Was Merz darüber denkt, scheint ihm nebensächlich. Söder fährt seinen Kurs, es sind Momente, in denen die Einigkeit in der Union in den Hintergrund tritt.

    Die Grünen zum Hauptfeind der Union zu erklären und zeitgleich Bündnisse mit der Partei auszuschließen, passt nicht allen in der Union. Sogar aus der eigenen Partei bekommt Söder Gegenwehr, etwa von Europapolitiker und CSU-Vize Manfred Weber.

    Die Umfragen zur Bundestagswahl sehen die Union derzeit klar vorne. Und doch wird von Wahl zu Wahl deutlicher, dass sich keine Partei mehr auf alte Mehrheiten stützen kann. Es braucht Koalitionspartner, möglicherweise sogar mehr als einen. Da halten selbst viele in der Union eine kategorische Absage an die Grünen für einen strategischen Fehler. Die Debatte um Schwarz-Grün – sie dürfte eine Wegmarke auf dem möglichen Weg von Friedrich Merz ins Kanzleramt werden. Es wird spannend bleiben, wie viele Steine ihm dabei aus Bayern in den Weg fliegen.

    Was er mit am besten kann, ist der Populismus. Söder stichelt nicht, Söder kloppt

    Inhaltlich grenzt sich Söder in seiner Rede von den Grünen so deutlich ab, wie es nur geht. Er ruft schmissige Parolen in den Saal: „Die Grünen sind ein wichtiger Bestandteil für die Demokratie – für die Opposition, aber nicht für die Regierung.“ Söder ist Polit-Profi, er spielt viele Klaviaturen. Was er mit am besten kann, ist der Populismus. Söder stichelt nicht, Söder kloppt.

    Ein Leitantrag für den Parteitag fordert die Begrenzung der Zuwanderung, mit einer Obergrenze von deutlich unter 100.000 Asylanträgen pro Jahr. In seiner Rede sagt Söder, es brauche eine „echte Asylwende“. Er wettert gegen die Kosten für Integration und Migration, fordert schärferes Vorgehen an deutschen Grenzen. „Migration, das Thema wächst uns über den Kopf.“ Es ist ein Thema, das Söder selbst seit Monaten in seinen Reden und Interviews immer wieder auf die Agenda hebt.

    Abgrenzen will sich die CSU nicht nur Grünen, sondern auch in Richtung der Radikalen

    Ein weiterer Schwerpunkt des Treffens: die Debatte über die Wiedereinführung der Wehrpflicht und „perspektivisch“ eine allgemeine Dienstpflicht für Männer und Frauen und deutlich höhere Verteidigungsausgaben, wie es in einem Antrag heißt.

    Abgrenzen will sich die CSU nicht nur zu den Grünen, sondern auch in Richtung der Radikalen. In einem Leitantrag für den Parteitag ist, in einem Absatz zur Außenpolitik quasi in einem Atemzug von „Akteuren wie der AfD und dem BSW“ die Rede. Das Bündnis von Sahra Wagenknecht nennt er einen „Sozialisten-Klub“.

    Miersch: "Merz-CDU verkörpert alles, für das ich nicht stehe"

    weitere Videos

      Söder ist 57. Er geht in sein 30. Jahr im bayerischen Landtag, ist seit 2018 Ministerpräsident, seit 2019 CSU-Landesvorsitzender. Dass er immer Ambitionen für das Kanzleramt hatte, ist bekannt. Doch nun sieht es danach aus, als wird er dieses Ziel nie erreichen. Dass ihm als Bayerns Regierungschef die Lust ausgeht, wird immer wieder kolportiert. Söders Umfeld kontert damit, wie sehr und wie viel der 57-Jährige im Land unterwegs sei. Und doch bleibt die Frage: Nach welchem Amt strebt Söder noch? Nach welcher Aufgabe?

      Auch wenn Söder nicht in Berlin im Kanzleramt regieren wird, so will er wenigstens demonstrieren, wie gut er in Bayern regieren kann. Söder referiert in seiner Rede über das bayerische Bruttoinlandsprodukt, über die Wirtschaftskraft, über die Investitionsquote, etwa in Forschung, in den Klimaschutz. „Konservativ heißt, an der Spitze des Fortschritts stehen.“ Und dafür, sagt Söder, brauche er keine Grünen.

      „Gott schütze Bayern, Gott schütze die CSU, Gott schütze diesen Parteitag“

      Was Deutschland stattdessen brauche, sei die CSU. Was der Bund brauche, sei Bayern. Das ist Söders Kernbotschaft an diesem Abend. Und dahinter verpackt er wohl auch bewusst eine Botschaft: Friedrich Merz braucht einen wie ihn, Markus Söder. Die Rede von ihm ist eine mehr als 70 Minuten lange Lobelei auf Bayern, auf die CSU. Söder inszeniert sich als konservativ, patriotisch. Und er endet seine Rede dementsprechend: „Gott schütze Bayern, Gott schütze die CSU, Gott schütze diesen Parteitag.“

      Wie enthusiastisch die CSU hinter Merz steht, wird sich am Samstag zeigen. Dann tritt der erkorene Kanzlerkandidat hier in Augsburg auf, beim Parteitag im Söder-Land. Sicher ist: Aus Bayern wird Söder immer wieder in Richtung Berlin unterwegs sein. Er will 2025 eine wichtige Rolle bei möglichen Verhandlungen der Union über eine Koalition für den Bund spielen. So ganz loslassen vom Kanzleramt kann Söder dann eben doch nicht. So ganz dürfte ihm Bayern doch nicht reichen.