Berlin. Die Rente braucht Reformen, doch die Ampel ist sich nicht einig. Ein Experte sagt, wie sich das Sicherungsniveau langfristig erhöhen ließe.

Wie bleibt das Leben im Alter für alle lebenswert? Eine wichtige Rolle spielt dabei, wie viel Rente man erhält. Die Ampel-Koalition verfolgt grundsätzlich das Ziel, die gesetzliche Altersvorsorge stabil zu halten. Zentral dabei: Das Rentenniveau als möglicherweise entscheidende Kenngröße bei der Frage, wie hoch die Altersbezüge ausfallen. Wichtige Fragen und Antworten zur Lage – und Reformvorschläge für die Zukunft.

Was ist das Rentenniveau?

Damit ist eher eine statistische Rechengröße gemeint, an der man ablesen kann, wie leistungsfähig das gesetzliche Altersvorsorgesystem ist. Tatsächlich beschreibt das Rentenniveau das Verhältnis der Standardrente zum Durchschnittsverdienst aller Versicherten. Die Standardrente erhält, wer 45 Jahre immer den aktuellen Durchschnittslohn verdient hat und darauf Rentenbeiträge gezahlt hat. Rückschlüsse auf die Altersversorgung eines einzelnen Rentners lässt das Rentenniveau hingegen nur bedingt zu.

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Worüber streitet die Ampel derzeit?

Konkret geht es um das Rentenpaket II. Die SPD um Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will mit der Reform ein längeres Festschreiben des Rentenniveaus von 48 Prozent erreichen. Diese Haltelinie läuft aktuell nur noch bis nächstes Jahr. Laut Gesetzentwurf soll sie bis einschließlich zur Rentenanpassung im Juli 2039 gelten – damit würde sie sich auf die Rentenauszahlungen bis Juni 2040 auswirken. Bis zu diesem Zeitpunkt würde das Niveau sonst laut Regierung auf 44,9 Prozent sinken.

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    Das Halten des Rentenniveaus wird jedoch teuer. Weil viele Arbeitnehmer aus der sogenannten Babyboomer-Generation in Rente gehen werden, müssen Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt steigen, ebenso der Rentenbeitragssatz, den Arbeitnehmer und Arbeitgeber je zur Hälfte tragen. Er liegt seit 2018 bei 18,6 Prozent des Bruttolohns. Im Gesetzentwurf wird davon ausgegangen, dass der Beitrag bis 2035 auf 22,3 Prozent ansteigen wird.

    Worin besteht die Kritik?

    Die FDP hält die Reform insgesamt für zu kostspielig, auch Teile der Wirtschaft lehnen sie ab. „Das Rentenpaket II gehört nicht in den Bundestag, sondern ins Museum für vermurkste Reformen“, erklärte etwa Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Leid- und Lastentragende seien die Jüngeren, denen immer weniger Netto vom Brutto bliebe, und die Arbeitgeber.

    Rentenexperten äußern für das Vorhaben durchaus Verständnis. „Würde man das Rentenniveau weiter absenken, könnte es für viele Menschen schwierig werden im Alter. Da zu sagen, man zieht eine Untergrenze ein, ist nachvollziehbar“, sagte Johannes Geyer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Der echte Test für Heils Gesetz stehe aber noch aus. Aktuell müsse die Ampel „keinen Cent dafür hinlegen“. Erst die nächsten Bundesregierungen würden damit konfrontiert sein, dass für andere Projekte weniger Geld verfügbar sei. „Dann wird man sehen, was das Versprechen tatsächlich wert ist“, so Geyer.

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    Wie teuer wird das Halten des Rentenniveaus?

    Angesichts der sinkenden Zahl an Beitragszahlern würden die Bundesmittel für die Rente auch ohne die Reform deutlich ansteigen – bis 2040 um rund 30 Milliarden Euro jährlich. Mit der Reform werden daraus 35 Milliarden pro Jahr. Zum Vergleich: 2025 sind insgesamt rund 121 Milliarden Euro als Zuschuss für die Rentenkasse eingeplant. Das ist gut ein Viertel des Bundeshaushalts.

    Dämpfend mit Blick auf die Ausgaben für die Rente soll das sogenannte Generationenkapital wirken. Ab 2036 sollen damit Ausschüttungen von durchschnittlich zehn Milliarden Euro jährlich an die Rentenversicherung ermöglicht werden. Doch der Top-Ökonom und Wirtschaftsweise Martin Werding hat daran Zweifel.

    Bundespressekonferenz Vorstellung des Jahresgutachtens 2023/24 - Sachverstaendigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
    Martin Werding ist Mitglied der sogenannten Wirtschaftsweisen. © picture alliance / Flashpic | Jens Krick

    „Das ist nicht viel und es ist auch nicht sicher, dass das Jahr um Jahr erreicht wird“, sagte Werding dieser Redaktion. Der Anstieg der Bundesmittel falle darüber hinaus deutlich stärker als das zu erwartende Wachstum der Steuereinnahmen aus.

    Wie ließen sich die Rentenausgaben denn dämpfen?

    „Denkbar wäre, die individuellen Renten beim Eintritt in den Ruhestand großzügiger zu bemessen als bisher, aber anschließend nur noch an die Inflation anzupassen und nicht, so wie bislang, an die Lohnentwicklung“, erklärte der Wirtschaftsweise weiter. Alternativ könnte auch zwischen höheren und niedrigeren Renten umgeschichtet werden. Das würde bedeuten, überdurchschnittliche Renten weniger stark anzupassen als geringe und durchschnittliche.

    Um die gesetzliche Rente insgesamt zu stärken, hält es der Sozialverband Deutschland (SoVD) auch für nötig, die Einnahmeseite zu verbessern, zum Beispiel durch gute Löhne. Zusätzlich müsste sich die gesetzliche Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung entwickeln, in die alle Beschäftigten einbezogen werden – also auch Selbständige, Beamte und Mandatsträger, die derzeit nicht in die Rentenkasse einzahlen müssen.

    Die CDU schlägt auch vor, die Regelaltersgrenze an die Lebenserwartung zu koppeln. Das Renteneintrittsalter würde sich somit erhöhen. Menschen müssten also länger arbeiten – und somit auch länger in die Rentenversicherung einzahlen.

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    In welchem Szenario würde das Rentenniveau wieder steigen?

    Soll das Rentenniveau steigen und das trotz immer mehr Ruheständlern, müssten die Beitragssätze ganz massiv erhöht werden – perspektivisch sicher auf 23, 24, oder 25 Prozent, schätzt der Ökonom. Eine Alternative ist, verstärkt auf eine kapitalgedeckte Altersvorsorge zu setzen.

    Ein Weg, den die Bundesregierung dafür vorschlagen will, ist das Altersvorsorgedepot. Der Aufbau benötige aber Zeit, so Werding, der erst nach dem Jahr 2040 mit spürbaren Effekten rechnet. „Dann könnte das Sicherungsniveau zusammen mit der gesetzlichen Rente bei 50 Prozent liegen, statt bei 45 Prozent wie unter dem geltenden Recht. 2065, also wenn Versicherte 40 Jahre lang ergänzend vorgesorgt haben, werden daraus mehr als 60 Prozent.“

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    Allerdings: Jüngeren Versicherten müssten auch die Mittel dafür bleiben, vorzusorgen. Laut Werding spricht auch das gegen die Einführung der Haltelinie von 48 Prozent. „Sie belastet die Jüngeren so stark, dass es auch längerfristig keinen Ausweg aus den demografischen Problemen bei der Rentenfinanzierung geben wird“, prophezeite er.