Berlin. Dietmar Woidke kann über „eine beispiellose Aufholjagd“ jubeln. Doch einer fehlt dabei. Das Land braucht aber dringend jemanden, der klar und deutlich spricht.

Olaf Scholz hat seine Stimme für die Landtagswahl per Briefwahl abgegeben. Ausgerechnet bei der wichtigsten Landtagswahl des Jahres, bei der es auch um seine Zukunft geht, weilt er im Ausland. Es war SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke, der am Sonntagabend von SPD-Anhängern in Potsdam minutenlang bejubelt wurde, für eine „beispiellose Aufholjagd“, wie er es nannte. Währenddessen war Scholz unterwegs bei der UN-Vollversammlung in New York.

Es sah aus, als hätte der Kanzler seine Reise angetreten, um nicht in seiner Wahlheimat Potsdam dabei sein zu müssen, bei welchem Wahlergebnis auch immer. Nun hat Woidke ganz persönlich dafür gesorgt, dass die SPD in Brandenburg noch zugelegt hat.

Das Verhältnis von Scholz und Woidke gilt als zerrüttet. Im Wahlkampf hatte Woidke den Kanzler ausgeladen, beim Thema Migrationspolitik war er auf Distanz zur Ampel gegangen. Doch der Vorwurf, Scholz mache sich aus dem Staub, ist so naheliegend wie falsch. Der UN-Zukunftskongress, auf dem Scholz am Sonntag vor 193 Nationen sprach, wird seit zwei Jahren vorbereitet. Deutschland ist zusammen mit Namibia Gastgeber. Verhandelt wird der sogenannte Zukunftspakt, mit dem die Vereinten Nationen weltweit mehr Entwicklungshilfe und Stabilität organisieren wollen.

Die Wahlbeteiligung war hoch

Und hier? In einem dritten Bundesland haben AfD und BSW nun überragende Wahlergebnisse eingefahren. In Wahlkampfsendungen und in den Parteizentralen wurde wie immer abgerechnet. Ursachen für den Wahlausgang werden gesucht, Wählerwanderungen analysiert und neue Mehrheitsverhältnisse berechnet.

Nach dieser Wahl ist für Scholz nichts mehr, wie es war. Die AfD gilt als „rechtsextremer Verdachtsfall“ und es hält die Menschen nicht davon ab, sie zu wählen. Da ist etwas ist aus den Fugen geraten. Was aber wird die Konsequenz nach den drei Landtagswahlen dieses Herbstes sein? Die Ampelkoalition wackelt. Dabei geht es längst nicht mehr nur darum, welche Parteien die nächsten Wahlen gewinnen. Oder ob der nächste Bundeskanzler Friedrich Merz, Olaf Scholz oder Boris Pistorius heißt. Es geht um einen grundlegend anderen Politikstil, um die dringende Weiterentwicklung des Landes und um neue Formen der Beteiligung der Menschen an der Demokratie selbst.

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Scholz hätte besser hierzulande einen „Zukunftspakt“ verhandelt“

Die Reise des Kanzlers an diesem Wochenende wird zum Sinnbild für alles, was im Kanzleramt schiefläuft. Scholz wäre besser beraten gewesen, er hätte hierzulande einen Zukunftspakt verhandelt und nicht in New York. Wo ist der Kanzler, der in schwierigen Zeiten Aufbruchstimmung verbreitet? Scholz konnte das nie sonderlich gut, und er kann es jetzt erst recht nicht mehr. Weil Woidke alles richtig gemacht hat, fällt auf, was der Kanzler nicht kann.

Oder um es konkreter zu sagen: Um die Sorgen der Menschen vor Ort zu verstehen, lohnt es sich, ins ländliche Brandenburg zu fahren. Dorthin, wo die Menschen abgehängt sind, geografisch, wirtschaftlich, sozial. Wo es an vielem fehlt, vor allem aber an einem positiven Lebensgefühl. Am Glauben, dass es wieder aufwärtsgehen kann. Es ist eine Leere, die die Extremisten mit Angst und Hass füllt.

Aber diese Entwicklung ist aber nicht unumkehrbar. Es ist mühsam, nichts ändert sich von heute auf morgen. Es braucht viele große und kleine Impulse, durch Eigeninitiative genauso wie vom Staat. Ganz konkret vor Ort. Doch so, wie die AfD die Menschen langsam und schleichend für sich vereinnahmt hat, so lässt sich dieser Prozess auch umkehren. Es braucht nur Mut und Ausdauer und einen Staat, der die richtigen Rahmenbedingungen schafft. Und es braucht Politikerinnen und Politiker, die klar und deutlich sprechen und handeln. Olaf Scholz kann das nicht mehr sein.